Rofo 2011; 183(08): 691
DOI: 10.1055/s-0031-1285936
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostische Strahlenexposition – Haben Kinder ein erhöhtes Krebsrisiko?

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Publication Date:
01 August 2011 (online)

 

Eine Strahlenbelastung Schwangerer durch Röntgenuntersuchungen ist zwar unwahrscheinlich, durch die Zunahme von Computertomografien bleibt aber die Sorge um eventuelle Schäden der Feten durch eine sehr frühe Exposition bestehen. Gleiches gilt für sehr junge Kinder. Rajaraman et al. gingen diesem Problem nun nach.
BMJ 2011; 342: d472. DOI: 10.1136/bmj.d472

Grundlage bildete die United Kingdom Childhood Cancer Study, eine große multizentrische Studie zu Krebserkrankungen im Kindesalter mit Daten aus England, Schottland und Wales. Potenziell verfügbar waren alle Kinder im Alter von 14 Jahren und jünger. Als Fälle wählten die Autoren Kinder mit Krebserkrankungen, die zwischen 1992 und 1996 diagnostiziert worden waren (Geburtsjahrgänge 1976 bis 1996). Ihnen stellten sie aus der gleichen Population jeweils 2 Kontrollen gegenüber. Insgesamt gingen in die Analyse 2690 Fälle und 4858 Kontrollen ein. Die Autoren sammelten dabei Daten zur Exposition gegenüber nicht ionisierender und ionisierender Strahlung in Schwangerschaft und früher Kindheit (0–100 Tage).

305 Kinder erhielten 319 radiologische oder verwandte Untersuchungen in utero, 170 Kinder 247 Untersuchungen in der frühen Kindheit. Am häufigsten war dabei in utero eine Pelvimetrie (64 %), in der frühen Kindheit ein Röntgen-Thorax (72 %). Diagnostische Röntgenuntersuchungen in utero waren allerdings sehr viel seltener als Ultraschalluntersuchungen (3,8 vs. 87 %). Insgesamt wurden 13 723 Ultraschalluntersuchungen in utero und 138 während der frühen Kindheit vorgenommen. In der Analyse zeigte sich ein geringfügig erhöhtes Risiko für die Gesamtheit der Krebserkrankungen nach Exposition gegenüber Röntgenstrahlen in utero (Odds Ratio (OR) 1,14), was sich jedoch als statistisch nicht signifikant erwies. Am größten war dieses Risiko für Leukämien (OR 1,36), vor allem die akute myeloische Leukämie (OR 2,44). Eine Strahlenexposition in der frühen Kindheit war ebenfalls mit einem geringfügig erhöhten Krebsrisiko assoziiert (OR 1,16), vor allem für Leukämien (OR 1,39) und hier wiederum für akute myeloische Leukämien (OR 1,63). Auch hier erwiesen sich die Ergebnisse jedoch als nicht signifikant. Zwischen Ultraschalluntersuchungen in utero bzw. in der frühen Kindheit und dem Krebsrisiko fand sich kein Zusammenhang.

Zoom Image
Laut einer Studie von Rajaraman et al. könnte es einen Zusammenhang zwischen einer Strahlenexposition in utero bzw. in früher Kindheit und dem Krebsrisiko geben. Im Bild zu sehen ist das axiale CT eines 20 Monate alten Mädchens mit Absturztrauma. Zusätzliche Synchondrose im vorderen Atlasbogen rechts (Schaper J, Heinen W. Radiologie up2date 2006; 6: 287–307).

Fazit

Die Ergebnisse legen trotz der fehlenden statistischen Signifikanz einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Strahlenexposition in utero bzw. in früher Kindheit und dem Krebsrisiko nahe. Dies macht einen besonders umsichtigen Umgang mit diagnostisch angewandten Röntgenstrahlen bei schwangeren Frauen und kleinen Kindern notwendig, so die Autoren.

Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen