Suchttherapie 2011; 12 - PO47
DOI: 10.1055/s-0031-1284696

Ressourcenorientierte Netzwerkarbeit bei Tabak- und Alkoholkonsum in Schwangerschaft und Stillzeit – Ein Kölner Modellprojekt zur Risikominimierung alkoholbedingter Schäden bei Kindern

W Farke 1, T Hoff 2, B Laux 3, B Münzel 4, E Winkler-Jansen 3
  • 1Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln
  • 2Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln
  • 3Sozialdienst Katholischer Frauen e.V., Köln
  • 4Sozialdienst Katholischer Männer e.V., Köln

Substanzkonsum in der Schwangerschaft birgt für das Kind erhebliche Schädigungs- und Mortalitätsrisiken. Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich ca. 3.000 bis 4.000 Kinder mit alkoholbedingten Schäden geboren. Die schwerste Form der Schädigung ist das Fetale Alkoholsyndrom (FAS). Auch das Rauchen in der Schwangerschaft erhöht das Gesundheitsrisiko bei Kindern deutlich: z.B. Frühgeburt, geringes Geburtsgewicht sowie akute und chronische Atemswegssymptome. Zur Prävention des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft werden insbesondere psychoedukative Materialien eingesetzt, um den Informationsstand und die Sensibilisierung zu verbessern. Defizitär ist jedoch die Entwicklung selektiver und indizierter Angebote für schwangere Frauen mit riskanten Substanzkonsummustern. Hier setzt dieses Kooperationsprojekt an, das darauf abzielt, z.B. zum Konsumstopp zu motivieren, bei Bedarf eine Überleitung zur ambulanten Suchtberatung einzuleiten, Angehörige bei der Konsumreduktion einzubeziehen, die Mutter-Kind-Beziehung zu unterstützen und zu verbessern sowie neue Zugangswege durch themenspezifische Informationen in lebensweltrorientierten Bezügen zu schaffen. Ein Kurzscreening ermöglicht die Identifizierung von Schwangeren mit bedenklichem Substanzkonsum. Durch den Einsatz psychoedukativer Materialien und Methoden motivierender Kurzinterventionen (MOVE) erfolgt eine schrittweise Sensibilisierung sowie Motivierung der Betroffenen. Darüber hinaus wird ein Selbstkontrolltraining für den verantwortungsbewussten Umgang mit Suchtstoffen, sowohl durch die Fachkräfte der Schwangerenberatung als auch der Suchthilfe durchgeführt. Um eine Verbesserung der Lebenssituation der Klientinnen zu gewährleisten, werden auch Angehörige in das Projekt einbezogen. Hier wird die Methode „Community Reinforcement Approach Family Treatment“ (CRAFT) erprobt. Zur nachgeburtlichen Verbesserung der Mutter-Kind-Beziehung soll eine modifizierte Version des Mutter-Unterstützungstrainings MUT! verhelfen.

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