Suchttherapie 2011; 12 - S38_3
DOI: 10.1055/s-0031-1284640

Erhöhte idiosynkratische Vulnerabilität für Suchtverhalten und PTBS aufgrund von traumatischen Ereignissen der Kindheit und Jugend – Prädisponieren frühe traumatische Belastungen Suchtverhalten im Erwachsenenalter?

H Menning 1, M Fleckenstein 1, K Raunigg 1, T Lüddeckens 1
  • 1Klinik Im Hasel, Gontenschwil, Schweiz

Multiple emotionale oder physische Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen im frühen Kindesalter, die mit einem gestörten Bindungsverhalten assoziiert sind, führen häufig zu einer Prädisposition für die spätere Entwicklung von psychischen Störungen (Weber et al., 2008), die oft in Suchtverhalten resultieren. Dies wiederum kann als ein (inadäquater) Bewältigungsversuch (der Selbstmedikation) der nicht bearbeiteten Traumatisierungen angesehen werden (Khantzian, 1997; Kaya & Friedrich, 2006). Die frühkindliche Akkumulation traumatischer Erfahrungen führt zu einer ausgeprägten Vulnerabilität des Stressverarbeitungssystems (Hüther, 2003). Die Emotionsregulationsfähigkeit ist eingeschränkt, Affekte brechen entweder ungehemmt durch oder werden vollkommen unterdrückt. Dabei reagieren Frauen in der Regel eher mit Depressivität und Angststörungen, während Männer eher zu Rückzug oder dissozialem, aggressivem Verhalten neigen. Die vorliegende Studie prüft an einer Stichprobe von 160 Patienten mit Substanzabhängigkeit, inwiefern traumatische Erfahrungen der Kindheit und Jugend mit Suchtverhalten und der Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Erwachsenenalter zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigen, dass Substanzabhängige deutlich erhöhte Raten von körperlicher Misshandlung, sexuellem Missbrauch, aber auch emotionalem Missbrauch und Vernachlässigung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufweisen. Substanzabhängige mit frühen traumatischen Erfahrungen weisen generell eine höhere psychische Belastung auf; speziell sind erhöhte Werte bei Depressivität, Unsicherheit im Sozialkontakt, Zwanghaftigkeit, Impulsivität und Feindseligkeit sowie eine höhere Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen zu finden. Die Ergebnisse werden in ein Gesamtkonzept des Zusammenhangs zwischen Trauma und Sucht gestellt.

Literatur: Hüther, G. (2003). Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen im Kindesalter auf die Hirnentwicklung. In K. H. Brisch & T. Hellbrügge (Hrsg.), Bindung und Trauma (S. 94-104). Stuttgart: Klett-Cotta. Kaya, M. & Friedrich, M. H. (2006). Von der frühkindlichen Traumatisierung zur Abhängigkeit im Jugendalter. In I. Schäfer & M. Krausz (Hrsg.), Trauma und Sucht (S. 76-90). Stuttgart: Klett-Cotta. Khantzian, E. J. (1997). The self-medication hypothesis of substance use disorders: A reconsideration and recent applications. Harvard Review of Psychiatry, 5, 231-244. Weber, K., Rockstroh, B., Borgelt, J., Awiszus, B., Popov, T., Hoffmann, K., Schonauer, K., Watzl, H. & Pröpster, K. (2008). Stress load during childhood affects psychopathology in psychiatric patients. BioMed Central Psychiatry, 8 (63), 1-10.