Multiple emotionale oder physische Missbrauchs- und Vernachlässigungserfahrungen im
frühen Kindesalter, die mit einem gestörten Bindungsverhalten assoziiert sind, führen
häufig zu einer Prädisposition für die spätere Entwicklung von psychischen Störungen
(Weber et al., 2008), die oft in Suchtverhalten resultieren. Dies wiederum kann als
ein (inadäquater) Bewältigungsversuch (der Selbstmedikation) der nicht bearbeiteten
Traumatisierungen angesehen werden (Khantzian, 1997; Kaya & Friedrich, 2006). Die
frühkindliche Akkumulation traumatischer Erfahrungen führt zu einer ausgeprägten Vulnerabilität
des Stressverarbeitungssystems (Hüther, 2003). Die Emotionsregulationsfähigkeit ist
eingeschränkt, Affekte brechen entweder ungehemmt durch oder werden vollkommen unterdrückt.
Dabei reagieren Frauen in der Regel eher mit Depressivität und Angststörungen, während
Männer eher zu Rückzug oder dissozialem, aggressivem Verhalten neigen. Die vorliegende
Studie prüft an einer Stichprobe von 160 Patienten mit Substanzabhängigkeit, inwiefern
traumatische Erfahrungen der Kindheit und Jugend mit Suchtverhalten und der Ausbildung
einer posttraumatischen Belastungsstörung im Erwachsenenalter zusammenhängen. Die
Ergebnisse zeigen, dass Substanzabhängige deutlich erhöhte Raten von körperlicher
Misshandlung, sexuellem Missbrauch, aber auch emotionalem Missbrauch und Vernachlässigung
im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufweisen. Substanzabhängige mit frühen traumatischen
Erfahrungen weisen generell eine höhere psychische Belastung auf; speziell sind erhöhte
Werte bei Depressivität, Unsicherheit im Sozialkontakt, Zwanghaftigkeit, Impulsivität
und Feindseligkeit sowie eine höhere Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen zu
finden. Die Ergebnisse werden in ein Gesamtkonzept des Zusammenhangs zwischen Trauma
und Sucht gestellt.
Literatur: Hüther, G. (2003). Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen im Kindesalter auf
die Hirnentwicklung. In K. H. Brisch & T. Hellbrügge (Hrsg.), Bindung und Trauma (S.
94-104). Stuttgart: Klett-Cotta. Kaya, M. & Friedrich, M. H. (2006). Von der frühkindlichen
Traumatisierung zur Abhängigkeit im Jugendalter. In I. Schäfer & M. Krausz (Hrsg.),
Trauma und Sucht (S. 76-90). Stuttgart: Klett-Cotta. Khantzian, E. J. (1997). The
self-medication hypothesis of substance use disorders: A reconsideration and recent
applications. Harvard Review of Psychiatry, 5, 231-244. Weber, K., Rockstroh, B.,
Borgelt, J., Awiszus, B., Popov, T., Hoffmann, K., Schonauer, K., Watzl, H. & Pröpster,
K. (2008). Stress load during childhood affects psychopathology in psychiatric patients.
BioMed Central Psychiatry, 8 (63), 1-10.
Trauma - Sucht - Substanzabhängigkeit - Emotionsregulation - Vulnerabilität - Stressverarbeitung
- emotionaler Missbrauch - Physischer Missbrauch - Vernachlässigung