Suchttherapie 2011; 12 - S26_1
DOI: 10.1055/s-0031-1284591

Was trägt die Suchtforschung zum Verständnis von gestörtem Essverhaltens bei?

F Kiefer 1, M Großhans 1, C von der Goltz 1, J Mutschler 2
  • 1Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Mannheim
  • 2Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Zürich, Schweiz

Sowohl Sucht als auch Eßstörungen beruhen auf einem gestörten Konsumverhalten, das trotz negativer und teilweise schwerwiegender Konsequenzen persistiert. Die Entscheidung zur Substanzeinnahme von Drogen wie von Nahrungsmitteln ist wesentlich von der erwarteten positiven Wirkung beeinflusst, d.h. von dem substanzvermittelten positiven Verstärkereffekt. Wirksame „Verstärker“ wie z.B. Opiate führen bereits nach wenigen Einnahmen zu einer Verhaltensänderung, in der die Opiateinnahme eine Präferenz über anderes Verhalten erlangt. Die im Vergleich relativ schwache Verstärkerwirkung von z.B. kohlehydratreichen Nahrungsmitteln kann aber durch langfristige und regelmäßige Einnahme eine ebenso ausgeprägte Präferenzbildung bewirken. Aktuelle Befunde belegen, dass die neurobiologischen Mechanismen, über die Nahrungsmittel ihre verhaltensmodulierende Wirkung erzielen, die gleichen sind, die auch bei klassischen Suchtmitteln von Bedeutung sind: sie aktivieren Bahnen des zentralen Belohnungs- und Verstärkungssystems im menschlichen Gehirn. Da nicht jeder Mensch durch die wiederholte Aufnahme abhängigkeitserzeugender Substanzen süchtig wird, und nicht alle Menschen trotz hoher Nahrungsmittelexposition zu Adipositas neigen, muss von Faktoren ausgegangen werden, die die Vulnerabilität für die Entwicklung einer Sucht respektive einer Adipositas beeinflussen. Genetische Einflüsse, Umgebungsfaktoren, sowie neurobiologische Mechanismen von Sucht und Adipositas, die ein Verständnis beider Erkrankungen in einem gemeinsamen Spektrum ermöglichen, werden diskutiert.

Literatur: Kiefer F, Grosshans M (2009) Was tragen die Erkenntnisse der Suchtforschung zum Verständnis der Adipositas bei? Der Nervenarzt 80: 1040-1049 Grosshans M, Löber S, Kiefer F (2010) Towards a better understanding of obesity: Implications from addiction research. Addiction Biology [Epub ahead of print] Mutschler J and Kiefer F (2010) The natriuretic peptide system as a possible therapeutic target for stress-induced obesity. Medical Hypotheses [Epub ahead of print]