Suchttherapie 2011; 12 - S18_4
DOI: 10.1055/s-0031-1284563

Opiatabhängigkeit und heroingestützte Behandlung: – Klinische Befunde zu Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen von injizierbarem Diamorphin

KM Dürsteler-MacFarland 1, O Schmid 2, M Vogel 1, GA Wiesbeck 1, R Stohler 2
  • 1Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Basel, Schweiz
  • 2Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Zürich, Schweiz

Die Opiatabhängigkeit gilt als multifaktorielle, von Rückfällen begleitete, chronische Hirnstörung mit dem Zwang, trotz negativer somatischer und psychosozialer Folgen Heroin oder andere Opioide zu konsumieren. In der Schweiz ist die Verschreibung von injizierbarem Diamorphin zu einem etablierten Element im Therapieangebot für opiatabhängige Menschen geworden. Diverse Studien belegen den Erfolg und die Wirksamkeit dieser Behandlungsform hinsichtlich der Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit sowie der sozialen Integration und Reduktion des illegalen Opiatkonsums. Dennoch gibt es viele offene Fragen, die in der heroingestützten Behandlung berücksichtigt werden müssen, insbesondere was mögliche Nebenwirkungen von injizierbarem Diamorphin angeht. Eigene Studien zeigen, dass viele Patienten über zahlreiche und teilweise erhebliche Nebenwirkungen berichten (z.B. Herzschmerzen, Libidoverlust, neurokognitive Einbussen, Muskellähmungen). Zudem haben wir bei einigen Patienten im Anschluss an die intravenöse Applikation von Diamorphin epileptische Krampfanfälle beobachtet und im EEG Zeichen einer postinjektorischen Hyperexzitabilität festgestellt. Inwieweit dieses Phänomen mit dem Befund zusammenhängt, dass intravenös appliziertes Diamorphin zu wiederholten Hypoxien führt, ist noch unklar. Einhergehend mit der systemischen und cerebralen Sauerstoffarmut kommt es auch zu einer deutlichen Reduktion der Herz- und Atemfrequenz sowie einer augenfälligen Veränderung des Atemmusters mit teilweise ausgeprägten Apnoen von bis zu 90 Sekunden. Diese Nebenwirkungen können von erheblicher klinischer Relevanz sein, und zwar nicht nur wenn Patienten andere atemdepressive Substanzen (z.B. Alkohol, Benzodiazepine) konsumieren. Ob die hypoxischen Zustände auch neuronale Schäden verursachen können, ist bislang offen, allerdings mehren sich die Hinweise dafür. So fanden Studien bei opiatabhängigen Menschen z.B. eine Reduktion des neuronalen Markers N-Acetylaspartat. Neusten Befunden zufolge weisen opiatabhängige Menschen zudem eine verminderte Knochendichte auf. Inwieweit dieser Befund direkt mit dem Opiatkonsum zusammenhängt, ist noch unklar. Er ist klinisch aber zu berücksichtigen, v.a., da es sich bei der heroingestützten Behandlung um eine Langzeittherapie handelt.