Klin Padiatr 2011; 223(05): 259-260
DOI: 10.1055/s-0031-1284431
Gastkommentar
George Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Häufigkeit bisher unbekannter angeborener Herzfehler bei asymptomatischen Kindern nach pränataler geburtshilflicher Ultraschalldiagnostik

Incidence of Previously Unknown Cardiac Malformations in Asymptomatic Children After Prenatal Obstetric Ultrasound Screening
H. E. Schneider
1   Abteilung für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Kinderuniversitätsklinik, Georg-August-Universität, Göttingen
,
T. Paul
1   Abteilung für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Kinderuniversitätsklinik, Georg-August-Universität, Göttingen
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Publication Date:
12 September 2011 (online)

Voitl und Mitarbeiter haben mit Ihrer Arbeit in diesem Heft der Klinischen Pädiatrie (S. 271–275 in dieser Ausgabe) einen wichtigen Beitrag zum Stellenwert der echokardiografischen Diagnostik bei Kindern geleistet. Die Arbeit ist nicht allein für die Kinderkardiologen wichtig, sondern für alle Ärzte, die an der Versorgung von Kindern mit einem angeborenen Herzfehler beteiligt sind und die für diesen Bereich interdisziplinäre Netzwerke etablieren wollen [4].

Durch die Fortschritte der fetalen Echokardio­grafie kann heute die überwiegende Zahl der schwer­wiegenden Herzfehler bereits pränatal korrekt diagnostiziert werden [1] [2] [3]. Dies erlaubt eine frühzeitige umfassende Beratung der Eltern mit der Empfehlung einer Entbindung in einem Perinatalzentrum mit einer angeschlossenen Kinderherzklinik. Postpartal kann so eine hämodynamische Dekompensation der Neugeborenen vermieden werden und die kinderkardiologische Diagnostik sowie eine katheterinterventionelle oder kinderherzchirurgische Therapie zeitgerecht durchgeführt werden. Auf diese Weise können die Morbidität und Letalität dieser unverändert häufigsten angeborenen Anomalie im Kindesalter weiter gesenkt werden [6].

Ziel der vorgestellten Studie war es zu untersuchen, welche Herzfehler möglicherweise intrauterin nicht erfasst worden sind. Hierzu wurde eine Gruppe von Kindern aus dem Ambulatorium für Kinderkardiologie in Wien mit einem neu aufgetretenen Herzgeräusch analysiert, bei denen ein fetales Ultraschallscreening erfolgt und als normal befundet worden war. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass durch die Besonderheiten der fetalen Zirkulation einige Herzfehler zu diesem Zeitpunkt nur sehr schwer bzw. gar nicht diagnostiziert werden können. Hierzu zählen unter anderem Vorhofseptumdefekte, muskuläre Ventrikelseptumdefekte, neu aufgetretene Klappeninsuffizienzen, Aortenisthmustenosen und der persistierende Ductus arteriosus Botalli. Wesentliche strukturelle Herzfehler können allerdings sämtlich erfasst werden [5].

In der Gruppe von >2000 Kindern mit unauffällig befundetem pränatalem Ultraschallscreening und späterem Herzgeräusch betrug die Häufigkeit sig­nifikanter, hämodynamisch relevanter Herzfeh­ler 0,6%, und bei 12,9% bestand ein bislang unbekannter Herzfehler ohne wesentliche hämodynamische Auswirkungen. Die Annahme, dass auch schwerwiegende Herzfehler mit dem fetalen Ultra­schallscreening mitunter nicht oder nur unzureichend erkannt werden können, wurde bestätigt. Wie die Autoren korrekt schlussfolgern, benötigen alle Kinder mit einem Herzgeräusch – auch bei fehlenden Symptomen – eine umfassende kinderkardiologische Diagnostik inkl. einer echokardiografischen Untersuchung. Dies hat unabhängig davon zu erfolgen, ob bereits eine intrauterine Diagnostik durchgeführt worden ist. Die körperliche Untersuchung, die Auskultation und die Pulsoximetrie sind allein und auch in Kombination nicht ausreichend [7].

Die vorgestellten Ergebnisse sind von besonderer Qualität und verdienen deshalb entsprechende Beachtung. An dieser Stelle ist nur daran zu erinnern, dass im Gegensatz zur vorliegenden Untersuchung im Rahmen der PAN-Studie nur 12,1% der angeborenen Herzfehler bereits intrauterin erkannt worden waren [6].

Gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17.2.2011 über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“) soll ein Ultraschallscreening mittels B-Mode-Verfahren durchgeführt werden. Die Untersuchungen erfolgen vom Beginn der 9. bis zum Ende der 12. SSW (1. Screening), vom Beginn der 19. bis zum Ende der 22. SSW (2. Screening) ­sowie vom Beginn der 29. bis zum Ende der 32. SSW (3. Screening). Dieses Ultraschallscreening dient der Überwachung einer normal verlaufenden Schwangerschaft, insbesondere mit dem Ziel der genauen Bestimmung des Gestationsalters, der Kontrolle der somatischen Entwicklung des Feten, der Suche nach auffälligen Merkmalen sowie dem frühzeitigen Erkennen von Mehrlingsschwangerschaften [8].

Ziel unserer Bemühungen muss es sein, gemeinsam mit den Frauenärzten und Geburtshelfern die Qualität der fetalen Ultraschalldiagnostik flächendeckend – für Deutschland bundesweit – zu verbessern. Ein möglicher Ansatz hierfür wäre es, die Daten der fetalen Ultraschalluntersuchungen prospektiv zu erfassen und später mit der postnatalen Echokardiografie im Rahmen eines bundesweiten Registers abzugleichen. Diese qualitätsverbessernde Maßnahme wäre mit der Unterstützung des Kompetenznetzwerks für Angeborene Herzfehler bzw. im Rahmen einer prospektiven PAN-Studie zu realisieren.

 
  • Literatur

  • 1 Bull C. Current and potential impact of fetal diagnosis on prevalence and spectrum of serious congenital heart disease at term in the UK. British Paediatric Cardiac Association. Lancet 1999; 354: 1242-1247
  • 2 Buskens E, Grobbee DE, Frohn MI et al. Efficacy of rourine fetal ultrasound screening for congenital heart disease in normal pregnancy. Circulation 1996; 94: 67-72
  • 3 Gagnon A, Wilson RD, Allen VM et al. Evaluation of prenatally diagnosed structural congenital anomalies. J Obstet Gynaecol Can 2009; 31: 875-881
  • 4 Göbel U, Kontny U, Gortner L et al. Networking in Pediatrics and the Journal’ s View. Klin Padiatr 2009; 221: 131-133
  • 5 Huhta JC. The first trimester cardiologist: one standard of care for all children. Curr Opin Pediatr 2001; 13: 453-455
  • 6 Lindinger A, Schwedler G, Hense HW. Prevalence of congenital heart defects in newborns in Germany: Results of the first registration year of the PAN Study (July 2006 to June 2007). Klin Padiatr 2010; 222: 321-330
  • 7 Tautz J, Merkel C, Loersch F et al. Implication of Pulse Oxymetry Screening for Detection of Congenital Heart Defects. Klin Padiatr 2010; 222: 291-295
  • 8 Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17. 2. 2011 über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“), Bundesanzeiger 2011, Nr. 72: S. 1787