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DOI: 10.1055/s-0031-1283687
Kardiovaskuläre Risikostratifizierung in der primärärztlichen Versorgung: Entspricht der Einsatz von Risikoscores deren Potenzial?
Einleitung: Ein zentraler Bestandteil der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen ist die Risikostratifizierung, mithilfe derer Hochrisikopatienten frühzeitig identifiziert und Therapieoptionen sinnvoll angepasst werden können. Daher ist die Bestimmung des individuellen kardiovaskulären Risikos eines Patienten mit verfügbaren Risikoscores besonders wichtig. Für Deutschland existiert bis dato eine unzureichende Datenlage zum Einsatz dieser Risikokalkulationsinstrumente in der primärärztlichen Versorgung. Informationen zur Anwendungshäufigkeit und der Art der Instrumente sind jedoch besonders von Bedeutung, da die Verwendung verschiedener Scores entsprechend unterschiedliche klinische und ökonomische Folgen nach sich zieht. Material und Methoden: In einem landesweiten Ärztesurvey wurden 260 Hausärzte aus Baden-Württemberg u.a. zu den von ihnen eingesetzten Risikoscores und anderen Maßnahmen zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen befragt. Die mit dem Einsatz von Risikoscores assoziierten Faktoren wurden mittels Chi-Quadrat-Tests und logistischer Regressionsanalyse identifiziert. Ergebnisse: Der Großteil der Hausärzte (67%) gab an, mindestens einen Risikoscore regelmäßig oder gelegentlich zu nutzen. Am häufigsten kam der PROCAM-Score zum Einsatz (57%), gefolgt vom Framingham-Score (35%), den SCORE-Deutschland-Tabellen (14%) und dem HEART-Score (12%). Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Nutzung der Risikoscores und arzt- bzw. praxisspezifischen Faktoren. Hingegen setzten Ärzte, die mindestens einmal pro Monat aktuelle Medien nutzten, bei ihren Patienten deutlich häufiger Risikoscores ein im Vergleich zu Ärzten, die diese Informationsquellen seltener nutzten (Fachzeitschriften: 71% vs. 42%; Internet: 80% vs. 59%; beide p<0,01). Diese Assoziationen erwiesen sich auch in der multivarianten Regressionsanalyse als signifikant. Diskussion: Die Studienergebnisse deuten auf einen suboptimalen Einsatz von Risikokalkulationsinstrumenten in der täglichen Praxis hin. Durch eine gänzlich fehlende Risikostratifizierung oder den Einsatz von Scores, die auf Hochrisikopopulationen aus anderen Nationen beruhen, könnte es zu Fehleinschätzungen des kardiovaskulären Risikos kommen, was schließlich in einer Über- oder Unterversorgung der Patienten resultiert. Aktuelle Medien scheinen gute Möglichkeiten zu bieten, Risikoscores in der Ärzteschaft weiter publik zu machen und somit die Risikostratifizierung im Praxisalltag zu optimieren.