Berufsbelastung als Ursache für Cognitive Enhancement bei Hochschullehrenden

Heutige Arbeitsbedingungen werden zunehmend anspruchsvoller (Gallie 2005). Individuen greifen auf verschiedene Regulationsstrategien zurück, um mit der damit einhergehende Arbeitsbelastung umzugehen (Albisser et al. 2009). Um auf anhaltenden Zeitdruck und psychosoziale Belastungen im Berufsleben zu reagieren (Weber/Rebscher 2009), können Menschen versuchen ihre geistige Leistungsfähigkeit mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu steigern (Cognitive Enhancement; CE; z.B. mit Modafinil, Donepezil oder Methylphenidat, siehe Maher 2008). Fundierte Studien hierzu sind bislang rar (DAK 2009). Für Lehrende an Hochschulen gibt es hierzu keine Befunde. Daten und Methoden: Insgesamt wurden 3655 Lehrende unter Berücksichtigung aller Dienstverhältnisse aus mehreren deutschen Universitäten für eine CAW-Befragung kontaktiert (Rücklaufquote 36,8%). Für die Analyse werden Daten von 935 Lehrenden verwendet. Das Berufsbelastungserleben wurde über die adaptierte Skala von Enzmann/Kleiber (1989, vgl. auch Lübeck 2009) gemessen. Ergebnisse: Jeder Zehnte (11,55%) neigt zur Einnahme von CE-Medikamenten. Logistische Regressionsanalysen zeigen, dass ein Anstieg der subjektiven Berufsbelastung die Einnahmeneigung um 61,4% (p<0,000) erhöht (kontrolliert für: Geschlecht, Alter, Dienstverhältnis). Effekte von Alter oder Dienstzugehörigkeit sind nicht nachweisbar; Frauen zeigen eine um 46,1% (p<0,001) geringere CE-Neigung. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Studie liefert Befunde zur Erklärung der Einnahmebereitschaft leistungssteigernder CE-Medikamente. Die Ergebnisse deuten einen Diskussionsbedarf bzgl. der Berufsbelastung von Hochschullehrenden hin, gerade weil das Nebenwirkungsprofil der Medikamente kaum bekannt ist (Maher 2009).

Literatur:

Albisser, S; Kirchhoff, E; Albisser, E Unterrichtswissenschaft 3: 262–288 (2009). DAK Gesundheitsreport (2009). Enzmann, D. & Kleiber, D. Helfer-Leiden. Stress und Burnout in psychosozialen Berufen (Heidelberg: R. Asanger, 1989). Gallie, D British Journal of Industrial Relations 43: 351–375 (2005). Maher, B Nature 452: 674–675 (2008). Lübeck, D Lehransätze in der Hochschullehre (Dissertationsschrift, FU-Berlin, 2009). Tönjes, B, Dickhäuser, O Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 41: 79–86 (2009). Weber, A; Rebscher, H Deutsches Ärzteblatt 9: 400–402 (2009).