Einleitung/Hintergrund: Ziel der Schwangerschaftsvorsorge ist es, Schwangerschaftsrisiken, zu denen auch
soziale und psychische Faktoren zu zählen sind, frühzeitig zu erkennen und zu therapieren.
Bei einer regelmäßigen Schwangerschaftsvorsorge und einer termingerechten Geburt liegt
die Anzahl der Vorsorgeuntersuchungen bei 10 bis 12, je nach Schwangerschaftswoche
der Erstuntersuchung. Der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund und eigener
Migrationserfahrung zwischen 15 und 45 Jahren lag 2005 in Niedersachsen bei 15,96%.
In Niedersachsen lag der Anteil von Geburten von Müttern, die ein anderes Herkunftsland
als Deutschland hatten, bei 16,8%. Im Zeitraum 2001–2008 lag die durchschnittliche
Frühgeburtenrate in Niedersachsen bei 8,1%. Migrant/-innen haben oftmals einen niedrigeren
sozioökonomischen Status und sind physisch sowie psychisch durch die Migration belastet.
Dies und eine mangelnde Sprachkompetenz kann unter Umständen bei der Schwangerenvorsorge
eine adäquate Beratung und Therapie erschweren. Bisherige Studien haben keinen eindeutigen
Zusammenhang aufgezeigt, dass eine geringere Anzahl an Schwangerenvorsorgeuntersuchungen
bei Low-Risk-Schwangerschaften, Einfluss auf das Frühgeburtsrisiko hat. Daten und Methoden: Die Niedersächsischen Perinatalerhebungen (2001–2008) dienen als empirische Grundlage.
Lebendgeburten mit einem Gestationsalter von <37+0 SSW wurden in Bezug auf das Herkunftsland
der Schwangeren analysiert. Der Fokus liegt auf Frauen aus Osteuropa und dem Mittleren
Osten/Nordafrika. Deskriptive Berechnungen und multivariate Analysen wurden durchgeführt.
Ergebnisse: Die Analyse der Schwangerschaftsvorsorgeintensität (N:403468) ‘unter Standard', je
nach Schwangerschaftsdauer und Schwangerschaftswoche der Erstuntersuchung, nach Herkunftsland
ergab folgende Ergebnisse für Frühgeburten: Deutschland 18,5%, Osteuropa 22,1%, Mittlerer
Osten/Nordafrika 24,5% (p<0,001). Das Frühgeburtsrisiko betrug nach Herkunftsland
der Mutter und Kontrollvariablen Zigarettenkonsum, <18 Jahre, >35 Jahre, Berufstätigkeit
während Schwangerschaft, Parität, Geburtsrisiko Gestose/Eklampsie, allein stehend
und Schwangerschaftsvorsorge ‘unter Standard' für Osteuropa AOR=0,871 (95% CI, 0,818–0,926)
(p<0,001) und den Mittleren Osten/Nordafrika AOR=0,921 (95% CI, 0,867–0,979) (p<0,05).
Die Referenzgruppe waren deutsche Schwangere. Diskussion/Schlussfolgerung: Auch bei deutlicher Unter-Standard-Versorgung ist das Frühgeburtsrisiko von Schwangeren
aus Osteuropa und dem Mittleren Osten/Nordafrika geringer als bei deutschen Schwangeren.
Andere Faktoren müssen bedeutsamer für Frühgeburtlichkeit sein.
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