Zusammenfassung
Die wichtige Rolle des Kleinhirns für die Koordination von Bewegungen und motorische
Lernvorgänge ist unbestritten. Patienten mit Erkrankungen des Kleinhirns suchen den
Arzt aufgrund motorischer Probleme (Ataxie) auf. Seit fast drei Jahrzehnten wird intensiv
untersucht, inwieweit das Kleinhirn zusätzlich kognitive Funktionen unterstützt. Dafür
gibt es gute Gründe aus neuroanatomischen Studien. Obwohl es eine Vielzahl von neuropsychologischen
Untersuchungsbefunden bei Patienten mit Kleinhirnerkrankungen gibt, ist die Einordnung
dieser Befunde nicht einfach. Nur selten wird der Einfluss begleitender motorischer
Symptome und möglicher extrazerebellärer Läsionen ausreichend gut kontrolliert. Die
vorliegende Übersichtarbeit fasst die neuroanatomischen Befunde zusammen und versucht
eine kritische Einordnung der in der Literatur beschriebenen Verhaltensdaten bei Patienten.
Vieles spricht dafür, dass sowohl degenerative als auch fokale Erkrankungen des Kleinhirns
zu bestimmten kognitiven Dysfunktionen führen können. Insbesondere Exekutivfunktionen,
hier in erster Linie das Arbeitsgedächtnis, aber auch bestimmte höhere Sprachfunktionen
scheinen betroffen zu sein. Die beobachteten Defizite bei erwachsenen Patienten sind
jedoch überwiegend gering ausgeprägt. Sie können bei Patienten mit akuten Erkrankungen
deutlicher sein.
Abstract
The role of the cerebellum in motor control and motor learning is well-recognised.
Patients with cerebellar disease consult a doctor because of their motor dysfunction
(ataxia). For nearly three decades intense research has been addressing the question
to what extent the cerebellum may support cognitive functions. Neuroanatomic findings
support the notion that posterolateral parts of the cerebellum contribute to cognition.
Although there is a huge number of neuropsychological studies in patients with cerebellar
disease, interpretation of findings is frequently hampered by the accompanying motor
disorders and extracerebellar lesions. This review summarises the anatomic findings
and attempts to give a critical evaluation of findings in human lesion studies. There
are good reasons to believe that cerebellar disorders, both cerebellar degeneration
and focal cerebellar lesions, may lead to certain cognitive dysfunctions. Disorders
in executive function, in particular working memory, and certain higher language tasks
are best documented. However, disorders in adults with chronic diseases tend to be
mild. Dysfunction appears to be more prominent in patients with acute disease.
Schlüsselwörter
Kleinhirndegeneration - Kleinhirninfarkt - posterolaterales Kleinhirn - Exekutivfunktionen
- Arbeitsgedächtnis - Agrammatismus
Key words
cerebellar degeneration - cerebellar stroke - posterolateral cerebellum - executive
functions - working memory - agrammatism