Fortschr Neurol Psychiatr 2011; 79(12): 691
DOI: 10.1055/s-0031-1281912
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Tiefe Hirnstimulation bei Parkinsonpatienten: Überblick über Vorteile und Limitationen einer effektiven Therapie

Deep Brain Stimulation in Parkinson‘s Disease: Overview on the Pros and Cons of an Effective TherapyK. Bötzel1 , M. Dieterich1
  • 1Klinik und Poliklinik für Neurologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
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Publication Date:
09 December 2011 (online)

In einem Heft über den Morbus Parkinson kann die Tiefe Hirnstimulation nicht fehlen, da sie nach mehr als 15 Jahren längst aus dem experimentellen Stadium herausgetreten ist und einen festen Stellenwert in der Behandlung fortgeschrittener Parkinson-Erkrankungen und anderer Bewegungsstörungen eingenommen hat. Die Kenntnis, dass mit diesem neuromodulativen Verfahren nicht nur der Tremor, sondern auch Rigor und Akinese bei der Parkinson-Erkrankung zum Teil exzellent beeinflusst werden können, ist heute auch bei den diesbezüglich früher skeptischen Neurologen angekommen. Mittlerweile betreuen viele Kollegen Patienten nach einer Hirnstimulationsoperation, ohne jedoch in die Bedienung des Stimulators eingewiesen worden zu sein oder sich damit jemals intensiver beschäftigt zu haben. Auch die möglichen Nebenwirkungen der Stimulation, insbesondere die möglichen Auswirkungen auf die Psyche, sind nicht allgemein bekannt. Hier Abhilfe zu schaffen und breiter zu informieren, ist das Ziel von zwei Übersichtsartikeln im vorliegenden Heft.

Der Artikel von Skuban u. Mitarb. [1] beleuchtet die möglichen psychischen Folgen der Tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom, die besonders im Falle der Subthalamicus-Stimulation relevant sein können. Das Spektrum reicht von einem freudigen anhaltenden Lachen, das bei Umstellung der Stimulationskontakte auftreten kann und die mächtige disinhibierende Wirkung dieses Verfahrens veranschaulicht, bis zu einer Suizidgefahr. So gehen die nach Hirnstimulation aufgetretenen Suizide wahrscheinlich zulasten einer gestörten Impulskontrolle, da in der Regel bei den betroffenen Patienten keine vorausgegangenen depressiven Stimmungsschwankungen beobachtet worden waren. Das frühzeitige Erkennen solcher zunächst oft gering ausgeprägter Symptome, wie ein verändertes Kauf- und Sexualverhalten, Spielsucht oder Essenthemmung, ist daher von besonderer Bedeutung, um frühzeitig gegensteuern zu können. Darauf sollte in der Nachsorge bewusst geachtet werden. Die Ursachen dieser psychiatrischen Komplikationen nach Tiefer Hirnstimulation sind bislang unklar. Diskutiert werden verschiedene Hypothesen, unter anderem, dass der Nucleus subthalamicus und Globus pallidus über das motorische extrapyramidale System hinaus regulierend in assoziative und limbisch-kortiko-subkortikale Netzwerke eingreifen, oder durch die induzierten elektrischen Felder ungewollt andere Netze beeinflusst werden, oder vorbestehende psychiatrische Erkrankungen – die durch das Parkinsonsyndrom bedingt sind – lediglich „demaskiert“ werden können.

Der zweite Artikel von Allert u. Mitarb. [2] hat einen ganz praktischen Fokus, den der technischen Aspekte, des Umfangs der Kontrolluntersuchungen und der Einschränkungen für die medizinische Diagnostik in der Langzeitbetreuung der Patienten. Es werden Fragen der Haltbarkeit der Batterie bis hin zur Bedienung des Patientenprogrammiergeräts thematisiert. Hier finden sich auch klare Hinweise, welche Untersuchungen (MRT, Röntgen) mit einem Hirnstimulator möglich sind. Dies sind sehr alltagsrelevante Aspekte, da nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre die symptomatische Wirkung der Neuromodulation trotz Krankheitsprogression lange erhalten bleibt. Dass der Bereich der technischen Fragen in der Langzeitbehandlung keineswegs ein Buch mit sieben Siegeln sein muss, wird von Allert und Kollegen nachvollziehbar und anschaulich dargestellt. Viele Anregungen und Freude bei der Lektüre!

Prof. Dr. med. M. Dieterich

Prof. Dr. med. K. Bötzel

Literatur

  • 1 Skuban T, Flohrer J, Klosterkötter J et al. Psychiatrische Nebenwirkungen der Tiefen Hirnstimulation bei idiopathischem Parkinsonsyndrom.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2011;  79 703-710
  • 2 Allert N, Barbe M T, Timmermann L et al. Langzeitbehandlung von Parkinsonpatienten mit Tiefer Hirnstimulation.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2011;  79 696-702

Prof. Dr. med. Marianne Dieterich

Klinik und Poliklinik für Neurologie, Ludwig-Maximilians-Universität, Klinikum Großhadern

Marchioninistr. 15

81377 München

Email: marianne.dieterich@med.uni-muenchen.de

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