Fortschr Neurol Psychiatr 2011; 79(9): 499
DOI: 10.1055/s-0031-1281693
Editorial

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Depression bei Obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom

Depression in Obstructive Sleep Apnoea SyndromeJ. Kornhuber1
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Publication Date:
25 August 2011 (online)

Der Fallbericht von Lang und Mitarbeitern in diesem Heft [1] lenkt die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges und häufiges klinisches Problem. Die Autoren beschreiben einen 43-jährigen Mann, bei dem durch ein Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS) eine organische depressive Störung ausgelöst wurde. Der Zusammenhang zwischen OSAS und Depression wirft verschiedene Fragen auf.

Handelt es sich bei den komorbiden Depressionen um Fehldiagnosen aufgrund der syndromalen Überschneidung zwischen OSAS und Depression?

Symptome wie Tagesmüdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie nicht erholsamer Schlaf können bei beiden Störungsbildern auftreten; d. h. OSAS und Depression überschneiden sich syndromal. Die zentrale Symptomatik des Apnoe-Syndroms, nämlich die Apnoen, wird vom Patienten oftmals nicht bemerkt und auch nicht berichtet. Wenn keine weiterführende Schlafdiagnostik angestrebt wird, können die vom Patienten geschilderten Symptome eventuell als Depression fehlgedeutet werden (Pseudodepression), vor allem, wenn die syndromale Überschneidung nicht bedacht wird.

Die komorbide Depression bei OSAS ist jedoch ein reales und häufiges Phänomen: Es liegen Querschnittstudien vor, in denen die Häufigkeit komorbider Depressionen bei OSAS-Patienten in der Allgemeinbevölkerung wie auch in klinischen Populationen untersucht worden ist. Daraus ergibt sich eine Prävalenz von Depressionen bei OSAS-Patienten zwischen 17 und 41 % [2].

Ist die hohe Komorbiditätsrate durch eine Wirkung von OSAS auf Depression bedingt?

Für die Verursachung einer Depression durch ein OSAS würden folgende Befunde sprechen: Depressionen entwickeln sich zeitlich nach dem Auftreten einer OSAS und die Störungsschwere von OSAS und Depression sind korreliert. Der zeitliche Zusammenhang und auch ein Dosis-Wirkungszusammenhang ließen sich in einer großen longitudinalen Kohortenstudie zeigen: Wenn sich die OSAS-Symptomatik während des 4-jährigen Beobachtungszeitraumes verschlechterte, dann stieg auch das Depressionsrisiko [3]. Wenn sich diese Ergebnisse in Folgestudien bestätigen, dann muss verstärkt nach depressionsauslösenden bzw. -intensivierenden Mechanismen gesucht werden. In diesem Zusammenhang werden fragmentierter Schlaf, Hypoxie, aber auch Alterationen von Neurotransmittern und Cytokinen diskutiert [2]. Auch die bei OSAS-Patienten beschriebenen erhöhten Plasma-Homocystein-Werte [4] können einen Einfluss auf die affektive Symptomatik haben.

Ist die hohe Komorbiditätsrate durch eine Wirkung von Depression auf OSAS bedingt?

Von vielen somatischen Krankheitsbildern ist bekannt, dass begleitende Depressionen einen negativen Effekt auf Selbstmanagement, Behandlungsadhärenz sowie Funktionsniveau haben, die Wahrnehmung der Symptomschwere verstärken und die Behandlungskosten erhöhen. Solche Effekte sind auch bei OSAS-Patienten mit begleitenden Depressionen zu erwarten. Allerdings liegen zur Wirkung von Depression auf OSAS nur wenige Daten vor. Diese zeigen beispielsweise, dass eine komorbide Depression mit einer geringeren Behandlungsadhärenz assoziiert war [5].

Ist die hohe Komorbiditätsrate durch gemeinsame Ursachen bedingt?

Es ist durchaus denkbar, dass die hohe Komorbidität zwischen OSAS und Depression durch gemeinsame Ursachen bedingt und damit überwiegend korrelativer Natur ist. Zu den gemeinsamen Ursachen können neben Life-Style-Faktoren wie Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel z. B. auch genetische Einflüsse zählen.

Viele Fragen zum Zusammenhang zwischen OSAS und Depression sind ungeklärt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass alle hier angesprochenen Punkte in unterschiedlichem Ausmaß zutreffen: Fehldiagnosen einer Depression bei OSAS sind aufgrund der syndromalen Überschneidungen denkbar. OSAS scheint eine Depression zu begünstigen. Wahrscheinlich verstärkt eine begleitende Depression auch die OSAS-Symptomatik. Und gemeinsame Ursachen für OSAS und Depression, wie Bewegungsmangel, liegen ebenfalls auf der Hand. Gerade dieses Wirkungsgeflecht erklärt die hohe Komorbidität zwischen beiden Störungsbildern.

Mit der Beschreibung eines besonders eindrucksvollen Patienten lenkt der Fallbericht unsere Aufmerksamkeit erneut auf dieses klinisch wichtige Problem. Kliniker sollten die hohe Komorbidität von OSAS und Depression kennen. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, sollten sie sich der syndromalen Überschneidung beider Störungsbilder bewusst sein. Zusätzlich zur Therapie des OSAS kann eine medikamentös antidepressive Behandlung eingeleitet werden. Wichtig ist auch die Veränderung gemeinsamer Risikofaktoren für Depression und OSAS, wie Bewegungsmangel und Alkoholkonsum.

Prof. Dr. Johannes Kornhuber

Die Literatur finden Sie unter

Literatur

  • 1 Lang F U, Hösch H, Seibert H et al. Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom als Ursache einer atypischen Depression.  Fortschr Neurol Psychiat. 2011;  79
  • 2 Harris M, Glozier N, Ratnavadivel R et al. Obstructive sleep apnea and depression.  Sleep Med Rev. 2009;  13 437-444
  • 3 Peppard P E, Szklo-Coxe M, Hla K M et al. Longitudinal association of sleep-related breathing disorders and depression.  Arch Intern Med. 2006;  166 1709-1715
  • 4 Jordan W, Berger C, Cohrs S et al. CPAP-Therapy effectively lowers serum homocysteine in obstructive sleep apnea syndrome.  J Neural Transm. 2004;  111 683-689
  • 5 Kjelsberg F N, Ruud E A, Stavem K. Predictors of symptoms of anxiety and depression in obstructive sleep apnea.  Sleep Med. 2005;  6 341-346

Prof. Dr. Johannes Kornhuber

Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg

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91054 Erlangen

Email: johannes.kornhuber@uk-erlangen.de

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