veterinär spiegel 2011; 21(04): 177
DOI: 10.1055/s-0031-1280323
Nutztiere & Pferde
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Tierschutz – Tierzucht

N. N.
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Publication Date:
19 December 2011 (online)

Eine unendliche Diskussion

Der Tierschutz hat einen bedeutsamen Stellenwert im Ranking der Diskussionen um die Haltung und Zucht in der Nutztierhaltung eingenommen. Generell muss zu diesem Thema festgehalten werden, dass durch die heutigen modernen und unter Berücksichtigung der Nutzung geplanten Aufstallungsformen ein messbarer Fortschritt in Bezug auf das Wohlbefinden der Nutztiere festzustellen ist. Dennoch dürfen wir die Augen nicht vor Missbräuchen bezüglich der Haltung und der ständig versuchten Gewinnmaximierung verschließen. Verschiedene Veranstaltungen zu diesem Umstand sollen auf die brisante, öffentlich diskutierte Problematik mit Lösungsansätzen entgegenwirken.

Eine dieser Veranstaltungen hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) mit einem Expertenhearing „Züchterische Maßnahmen an Nutztieren – Eine Perspektive für den Tierschutz“ angeboten. Teilnehmer aus Politik, Ministerien, Vertretern der Landwirtschaft und Zuchtorganisationen, Geflügelwirtschaft, BTK und Veterinärverwaltungen sind der Einladung gefolgt. Tierschutz und Tiergesundheit sollen durch regelmäßige Tierarztbesuche (ITB) reguliert werden. Grundsatzdiskussionen über Fehler im System, die auch durch die Rahmenbedingungen der Intensivhaltungen begründet sind, sollen mit diesem Expertenhearing ein Zeichen setzen.

Das Tierschutzgesetz ist seit 2002 in der Verfassung verankert, so Prof. Blaha, Hannover, der zu den derzeitigen Defiziten und zu Lösungsansätzen zum verbesserten Tierschutz in der Nutztierhaltung deutliche Worte spricht. Die bisherige Tierschutzstrategie sei gescheitert. So werden in Milchviehbetrieben die Kühe zu jung ausgemerzt. Welfare Quality®, d. h. tierorientierte Prinzipien und Kriterien sind gefordert. Das tierärztliche Gesamtkonzept von bpt und TVT – Tierwohl durch Anpassung der Zucht und Haltung an die Bedürfnisse der Tiere – ist ein Weg, den Tierschutz zu befördern.

Längerfristig wäre mit der Zucht auf Hornlosigkeit ein Amputationsverbot der Hörner umzusetzen. Prof. Gauly, Göttingen, weist auf die Problematik der Züchtung auf Hornlosigkeit hin, die erst nach ca. 20 Jahren nahezu erreicht ist. Die Nachteile der Inzuchtdepression wie Lebensdauer und Fruchtbarkeit sprechen gegen eine Zucht auf Hornlosigkeit.

Federpicken des Nutzgeflügels und das Schwanzbeißen der Schweine sind multifaktoriell bedingte Verhaltensstörungen und entstehen durch Nahrungsimbalancen, keine artgerechten Beschäftigungen und Stress. Laut Prof. Knierim, Kassel, sind Leistungssenkungen und züchterische Maßnahmen zu ruhigeren und stresstoleranteren Tieren Lösungsansätze, die ursächlich und systematisch durch züchterische Maßnahmen an Problemursachen ansetzen. Wohlbefinden ist das Erlebnis der Auseinandersetzung mit der Umwelt und positive Gefühle erleben.

Als Begründung für das Enthornen der Rinder sind die Tradition und die Arbeitssicherheit zu sehen. Alternativ bleibt die Züchtung genetisch hornloser Tiere. Züchterische Maßnahmen können bei der Lösung von Tierschutzproblemen helfen, sollen aber nicht überschätzt werden.

Eine genetische Anpassung des Verhaltens ist nach Prof. Bessei, Hohenheim, nicht möglich. Mit dem Wachstum verbundene Tierschutzprobleme beim Masthuhn sind Beinschäden und Herz-Kreislauf-Probleme.

In der Broilerhaltung werden Knochendeformationen zum Tierschutzproblem, bei den Legehennen Kannibalismus und Federpicken bei allen Haltungen.

Genetische Veränderung kann am Wohl des Tieres gemessen werden. Prof. Kunzmann, Jena, bewertet die Zucht zum Tierwohl mit 3 Typen: pathozentrisch – biozentrisch – physiozentrisch. Züchterische Maßnahmen können das Funktionsganze stören. Die Würde des Tieres enthält die Eigenart des Individuums und die Achtung der Eigenart.

Viele offen gebliebene Fragen werden auch die zukünftigen Veranstaltungen zum Thema Tierschutz beschäftigen. Fakt ist jedoch, dass zum Schutz der Nutztiere vor Leiden und Qualen eine Diagnose und eine qualifizierte Behandlung unabdinglich sind. Sachkundenachweis ist meiner Meinung nach unzureichend.

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In eigener Sache

Mit dem Erscheinen dieser Ausgabe des veterinär spiegel beende ich meine redaktionelle Tätigkeit für den Enke Verlag. Bei Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bedanke ich mich für Ihre Treue und wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und für das Jahr 2012 Gesundheit, Zufriedenheit und Wohlergehen.