Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - P509
DOI: 10.1055/s-0031-1278629

Delayed Interval Delivery – eine wenig beachtete Option?

C Fazelnia 1, J Doblinger 1, H Steiner 1, C Zuchna 1
  • 1Universitätklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Universität, Salzburger Landeskliniken, Salzburg

Einleitung:

Mehrlingsschwangerschaften tragen wesentlich zur Frühgeburtlichkeit bei, die Neugeborenen sind einer hohen Morbidität und Mortalität ausgesetzt. In ausgewählten Fällen kann nach der Geburt eines frühgeborenen Mehrlings mit der Entbindung des zweiten, nicht gefährdeten Feten zugewartet werden, um die Risiken durch die gewonnene Zeit in utero zu senken.

Fallbericht:

Wir berichten über eine 30-jährige Gravida 2, Para 1, die in der 24+4 SSW bei dichorialer, konkordanter Geminigravidität mit frühem vorzeitigen Blasensprung (PPROM) des führenden Zwillings stationär aufgenommen wurde. Nach abgeschlossener Lungenreifung mit Betamethason unter Tokolyse mit Atosiban kam es, bei unauffälligen bakteriologischen Abstrichen und negativen Entzündungwerten, am dritten Tag zu Kontraktionen, die initial mit Hexoprenalin erfolgreich therapiert wurden. Bei Beobachtung im Entbindungsbereich kam es erneut (25+0 SSW) zu Wehentätigkeit. In der Spekulumeinstellung zeigte sich der Kopf des führenden Zwillings bereits nahezu am Beckenboden, so dass die Spontangeburt unumgänglich war. Das Kind wurde direkt durch die bereitstehenden Neonatologen übernommen und konnte stabilisiert werden.

In Folge wurde neuerlich die Tokolyse begonnen und die Blutwerte des spontan entbundenen Zwillings abgewartet. Bei fehlenden Hinweisen auf ein Amnioninfektsyndrom (AIS) fiel, aufgrund der extremen Frühgeburtlichkeit, die Entscheidung, den 2. Zwilling in utero zu belassen.

Unter Antibiose, engmaschiger Doppler- und CTG-Überwachung sowie Abstrichen konnte eine Verzögerung der Entbindung um 25 Tage erreicht werden, eine Sectio erfolgte schließlich wegen steigender Entzündungsparameter.

Der erste Zwilling (728g, APGAR 8/8/9, NV pH 7,39) verstarb an einer 3 Tage postpartal aufgetretenen, intracerebralen Hämorrhagie. Der zweite Zwilling (1455g, APGAR 6/8/8, NA pH 7,31) konnte gesund von der Neonatologie entlassen werden.

Zusammenfassung:

Delayed Interval Delivery (DID) ist bei Mehrlingsschwangerschaften in sehr frühen Gestationswochen eine Option, die in Erwägung gezogen und erfolgreich angewandt werden kann. Ausschlusskriterien wie ein Gestationsalter von mehr als 30 Schwangerschaftswochen, Monochorionizität, Hinweise auf AIS, schwere Präeklampsie oder vermutete Plazentalösung sollten unbedingt beachtet werden.

Klare Vorgaben bzw. Richtlinien sind aufgrund der heterogenen Problematik schwer zu definieren, eine individuelle Evaluation des Einzelfalls sollte erfolgen.