Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - P506
DOI: 10.1055/s-0031-1278626

Die Medizinische Tastuntersuchung der Brust durch blinde Frauen – von der Prävention in die Rehabilitation – ein Erfahrungsbericht

B Leibbrand 1, F Hoffmann 2, K Zirke 3
  • 1Salzetalklinik, Bad Salzuflen
  • 2Praxis für Frauen, Duisburg
  • 3Berufsförderungswerk Düren

Die medizinische Tastuntersuchung, durchgeführt durch die MTU (blinde medizinische Tastuntersucherin) ergänzt lange etablierte Vorsorgeverfahren in der Brustkrebsfrüherkennung, wie die ärztliche Tastuntersuchung, die Selbstuntersuchung der Brust sowie bildgebende Verfahren. Auch die MTU verfolgt das Ziel ‘je früher, desto besser’.

Das Berufsförderungswerk Düren hat zusammen mit dem Gynäkologen Dr. Frank Hoffmann eine Qualifizierungsmaßnahme entwickelt und etabliert(Projekt ‘Medizinische Tastuntersucherin’). Die Aspirantinnen für die Qualifizierungsmaßnahme müssen ein Auswahlverfahren durchlaufen, in dem u.a. Motivation, Durchhaltevermögen, Flexibilität aber auch ihre unbedingt notwendige taktile Fähigkeit überprüft werden.

Dieses Projekt wurde so überzeugend demonstriert, sodass wir die medizinische Tastuntersuchung auch in der Rehabilitation erprobten und diese auch in der Nachsorge anwenden.

Die Nachsorge bei Brustkrebs hat ein Hauptaugenmerk auf die lokale Rezidivprophylaxe und kontrolliert somit den Lokalbefund nach Operation/Radiatio und medikamentösen Therapien des Bruskrebses.

Die sensible taktile Fähigkeit ist also auch in der Nachsorge gefragt bei veränderten, komplexeren Bedingungen, die auch die anderen diagnostischen Verfahren in der Nachsorge betreffen.

Es ergeben sich weitere Aspekte der medizinischen Tastuntersuchung durch eine MTU, die besonders hervorzuheben sind:

  • die Tatsache, dass die Untersucherin blind ist und die, durch die Frauen so empfundene, ‘Verstümmelung’ sprichwörtlich nicht sieht!

  • die Wiederherstellung eines Körpergefühls durch Berühren, Ertasten, Erfahren des ‘verstümmelten’ Bereiches durch eine weitere Person und darüber hinaus noch die Erkenntnis, dass eine Behinderung überwunden werden kann.

Dadurch kommt zu dem rein diagnostischen Ansatz der medizinischen Tastuntersuchung auch ein psychoonkologischer Ansatz.

Nach ersten Erfahrungen mit einer MTU (seit 4/2010 im Praktikum, seit 8/2010 als Mitarbeiterin) werden reproduzierbare Untersuchungsbefunde erstellt, die bedarfsweise durch weitere Diagnostik ergänzt werden und bislang jeder Kontrolle standhielten. Auch scheint die MTU einen großen Einfluss auf brustkrebsoperierte Frauen hinsichtlich ihrer Einstellung zur Nachsorge und deren Notwendigkeit zu haben und positiv deren Krankheitsverarbeitung zu beeinflussen. Dies zeigen erste Ergebnisauswertungen von Befragungen der Frauen.