Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 8 - A212
DOI: 10.1055/s-0031-1278215

Entscheidungsfindung in der interdisziplinären Tumorkonferenz

C Wetzel 1, L Zimmermann 2, D Allgayer 1, H Lukesch 2, O Ortmann 1
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universität Regensburg am Caritas-Krankenhaus St. Josef, Regensburg, Deutschland
  • 2Universität Regensburg, Institut für Experimentelle Psychologie, Regensburg, Deutschland

Zielsetzung:

Diese Studie untersucht Entscheidungsprozesse zur medizinischen Behandlung von Brustkrebs- und Genitalkrebspatientinnen in der interdisziplinären Tumorkonferenz. Relevante Faktoren und Strategien zur Entscheidungsfindung einschließlich Risikokommunikation wurden exploriert.

Materialien und Methoden:

Die Perspektive von Ärzten eines Brustkrebszentrums wurde in 21 halbstrukturierten Interviews erhoben, transkribiert und qualitativ ausgewertet. Die Relevanz medizinischer und psychosozialer Faktoren (PSF) für die Entscheidungsfindung wurde auf Visuellen-Analog-Skalen eingeschätzt und mithilfe des Wilcoxon-Ranks-Tests verglichen.

Ergebnisse:

Es wurden zwei Modelle des Einbezugs von PSF identifiziert: 1) 2-Stufen-Modell: PSF finden nicht in der Tumorkonferenz, sondern im Arzt-Patient-Gespräch Berücksichtigung (n=5), und 2) Differenziertes Modell: PSF werden in der Tumorkonferenz und in der Arzt-Patient-Kommunikation als relevant erachtet bei a) hohem Partizipationsbedürfnis, b) Einschränkung der Therapieumsetzung durch PSF, c) Entscheidungen erhöhter Komplexität; (n=16). Behandlungswunsch und Compliance wurden als bedeutsamste PSF benannt. Biomedizinischen Faktoren wurde eine signifikant höhere Relevanz als PSF zugeschrieben (p<0.05). Es konnten fünf Entscheidungsstrategien identifiziert werden: 1) regelbasiertes Entscheiden, 2) erfahrungsbasiertes Entscheiden, 3) Rely-on-others, 4) Risikokommunikation und 5) Hinzunahme weiterer Informationen. Risikokommunikation anhand verbaler Kategorien wurde häufiger als numerische Risikokommunikation beschrieben. Hinweise auf einen potentiellen False-Consensus-Bias und Verantwortungsdiffusion im Gruppenentscheidungsprozess wurden gefunden.

Zusammenfassung:

Patientenorientierte Entscheidungsfindung stellt einen Gesamtprozess dar, der nicht nur das Arzt-Patient-Gespräch, sondern auch die interdisziplinäre Tumorkonferenz umfasst. Zur Optimierung des Entscheidungsprozesses ist die Etablierung von Standards zum Einbezug psychosozialer Faktoren und zur Anwendung von Entscheidungsstrategien mit dem Ziel der Bias-Minimierung wünschenswert.