Fragestellung: Kürzlich publizierte Daten legen nahe, dass die zentrale Signaltransduktion über
den Insulin-like growth factor-1 Rezeptor (IGF-1R) sowohl die Glukosehomöostase als
auch das Überleben beeinflusst. Bisher wurde als Mechanismus diskutiert, dass eine
zentrale IGF-1 Resistenz in der frühen Gehirnentwicklung zu einer Fehlentwicklung
der Hypophyse und damit auch zu Minderwuchs und Insulinresistenz führt. Um einen Entwicklungsphänotyp
ausschließen zu können, haben wir ein Mausmodell generiert, in dem eine milde zerebrale
IGF-1 Resistenz erst nach Beendigung der neuronalen Proliferation auftritt. In der
dargestellten Arbeit wurden Neuronen-spezifische heterozygote IGF-1R defiziente Mäuse
untersucht.
Methodik: Es wurde eine transgene Mauslinie etabliert, die Neuronen-spezifisch eine Deletion
einer Kopie des IGF-1R (nIGF-1R+/-) aufweist (Cre-loxP-System, Synapsin-Promotor). Um eine Beeinflussung des weiblichen
Zyklus zu vermeiden, wurden ausschließlich männliche Tiere bezüglich Überleben (Kaplan
Maier Analyse), Energieumsatz/Aktivität (indirekte Kalorimetrie), Körperzusammensetzung
(MRT), Testung von Verhalten und Motorik (Open Field/Elevated-O-Maze, RotaRod) und
Glukosemetabolismus (Insulin-/Glukose-Toleranz-Tests) untersucht.
Ergebnisse: Im Vergleich zu Wildtyp (WT) Männchen leben die nIGF-1R+/- Männchen signifikant länger. Die heterozygote Neuronen-spezifische Deletion des IGF-1R
führt zu einem signifikant verminderten Körpergewicht (34±1 vs. 30±0,5g) und Body
mass index (BMI) (3,04±0,07 vs. 2,85±0,04kg/m2). Zudem ist das epigonadale Fettgewebe in den nIGF-1R+/- Männchen im Alter von 60 Wochen signifikant weniger ausgeprägt (1353±207 vs. 630±115mg).
Dieser Befund einer verminderten Fettmasse lässt sich im MRT bestätigen. Es konnte
kein Unterschied in der Wasser- und Futteraufnahme gefunden werden. Interessanterweise
zeigt sich bei der im Alter von 60 Wochen durchgeführten indirekten Kalorimetrie-Messung
bei den nIGF-1R+/- Mäusen im Vergleich zum WT ein signifikant erhöhter Energieumsatz pro kg Körpergewicht
(28,6±0,3 vs. 31,5±0,6kcal/h/kg KG) und ein signifikant verminderter respiratorischer
Quotient (0,899±0,002 vs. 0,863±0,005). Weiterhin besteht bei den nIGF-1R+/- Mäusen eine signifikante Erhöhung der nächtlichen Spontanaktivität, ohne dass die
Tiere im Elevted-O-Maze Test ängstlicher sind oder im Open-Field Test einen Explorationsphänotyp
aufweisen. Im RotaRod Test ist die Motorik der Tiere nicht verändert. Dieser Phänotyp
führt jedoch nicht zu einer im Glukose- oder Insulin-Toleranz-Test detektierbaren
Veränderung der Glukosehomöostase.
Schlussfolgerung: Eine milde zentrale IGF-1 Resistenz männlichen Mäusen verlängert das mittlere Überleben,
steigert Aktivität und Fettverbrennung und vermindert die Akkumulation von weißem
Fettgewebe. Diese Ergebnisse könnten langfristig zu einem neuen therapeutischen Ansatz
in der Behandlung des Typ 2 Diabetes führen.