Fragestellung: Depressive Störungen stellen eine lebensbedrohliche Komorbidität bei Patienten mit
Diabetes mellitus dar. Studien zum Wirksamkeitsvergleich psychologischer versus psychopharmakologischer
Interventionen liegen bislang nicht vor. Zielsetzung der DAD-Studie ist der Wirksamkeitsvergleich
einer diabetesspezifischen kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) mit dem Antidepressivum
Sertralin bei depressiven Diabetikern mit einer unzureichenden Qualität der Stoffwechseleinstellung.
Methodik/Statistik: In dieser randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie an 70 Prüfzentren wurden
251 insulinbehandelte, depressive Diabetiker (HbA1c-Werte >7,5%) entweder mit 50–200mg
Sertralin oder einer 20-stündigen (10 Sitzungen) diabetesspezifischen Gruppen-KVT
behandelt. Nach einer 12-wöchigen Behandlung wurden nur Therapie-Responder (50% Verbesserung
der depressiven Symptomatik in der Hamilton Depression Rating Scale, HAMD) beider
Behandlungsgruppen in die sich anschließende 1-jährige Langzeitphase der Studie eingeschlossen.
Patienten in der Sertralingruppe wurden zur Rückfallprophylaxe weiterhin mit Sertralin
behandelt, während in der KVT-Bedingung keine weitere Behandlung erfolgte. Die Diabetesbehandlung
erfolgte als „treatment as usual“. Gruppenunterschiede hinsichtlich der HbA1c Werte
(primärer Outcome) und der Depressionssymptome (HAMD) zum Zeitpunkt der 1-Jahres-Katamnese
im Vergleich zur Baseline-Erhebung wurden mit Kovarianzanalysen untersucht. Subgruppenanalysen
wurden für den Diabetestyp durchgeführt.
Ergebnisse: Nach 12 Wochen respondierten 115 (45,8%) der Patienten auf die Behandlungen (KVT
53, Sertralin 62). In der 1-Jahres-Katamnese veränderte sich der HbA1c-Wert nach der
KVT von 9,3±1,6 zu 9,2±1,7 und unter der Sertralinbehandlung von 9,2±1,4 zu 9,4±1,4
(p=0,129). HAMD-Werte verbesserten sich nach der KVT von 18,0±4,6 zu 7,8±6,5 und in
der Sertralingruppe von 18,9±5,1 zu 5,5±5,7 (p=0,020). Subgruppenanalyse zwischen
den Diabetestypen erbrachten, signifikante Unterschiede ausschließlich in der KVT-Gruppe
hinsichtlich der HbA1c-Werte (Differenz: 0,73, p=0,004). Typ-2-Diabetiker wiesen nach
der KVT niedrigere HbA1c-Werte auf (-0,40) während bei Typ-1-Diabetikern eine leichte
Erhöhung der HbA1c-Werte zu beobachten war (+0,32).
Schlussfolgerungen: KVT und Sertralin sind in der Behandlung unzureichend eingestellter depressive Diabetiker
wirksam, wobei ein geringgradiger aber statistisch signifikanter Vorteil für Sertralin
besteht. Eine substantielle Verbesserung der Stoffwechseleinstellung konnte weder
für die psychologische, noch die psychopharmakologische Behandlung erreicht werden.
Obwohl Typ-2-Diabetiker insgesamt bessere Stoffwechselwerte nach einer KVT erreichten,
bleiben diese doch im Durchschnitt noch weit über den angestrebten Therapiezielen.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass neue individualisiertere Behandlungen notwendig
sind, um nicht nur die psychischen sondern auch die diabetesbezogenen Therapieziele
zu erreichen.