Rehabilitation (Stuttg) 2011; 50(3): 143-144
DOI: 10.1055/s-0031-1277170
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

MBOR – Ein Prozessmodell in der medizinischen Rehabilitation

Work Related Medical Rehabilitation, MBOR – A Process Model in Medical RehabilitationU. Egner, F. Schliehe, M. Streibelt
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Publication Date:
30 May 2011 (online)

Bereits seit Jahren wird seitens der Rehabilitationsforschung eine stärker an den beruflichen Gegebenheiten der Patienten ausgerichtete Rehabilitationsstrategie gefordert. Die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) ist hierzulande wie auch international intensiv beforscht worden. Verglichen mit anderen Forschungsgebieten ist mittlerweile ein großes Wissen über Anwendungsgebiet, Nutzen sowie die Vor- und Nachteile der entsprechenden Interventionen vorhanden [1]. So ist unterdessen hinreichend belegt, dass ein verstärkter Berufsbezug den Erfolg einer Rehabilitationsmaßnahme hinsichtlich störungsspezifischer wie auch generischer Parameter und letztlich der beruflichen Teilhabe positiv beeinflusst. Auch die Indikationsstellung für die Identifikation der „richtigen” Patienten ist klar umrissen: Von einer berufsbezogenen Ausgestaltung der medizinischen Rehabilitation profitieren Patienten mit „besonderen beruflichen Problemlagen” (BBPL). Epidemiologische Studien haben indikationsbezogene Prävalenzen abgeschätzt. Entsprechende psychometrisch umfassend getestete Screening-Instrumente stehen zur Verfügung [2].

Der Weg scheint bereitet für eine flächendeckende Umsetzung dieser Erkenntnisse in Form strukturierter berufsbezogener Behandlungsangebote in den Rehabilitationseinrichtungen. Allerdings geht die Erfolgsgeschichte an dieser Stelle nicht weiter: Bis auf wenige Modellprojekte hat die berufliche Orientierung nur unzureichend Eingang in den Klinikalltag gefunden. Die Frage nach dem „Warum” ist dabei nicht einfach zu beantworten. Systemimmanente wie auch ökonomische Gründe scheinen vordergründig verantwortlich zu sein. So wird die berufliche Teilhabe im grundlegenden Modell der Rehabilitation – der ICF – wie auch sozialrechtlich im SGB IX zwar als zentrale Komponente definiert; doch ist der Grundgedanke der „Indikation BBPL” bislang kein expliziter Bestandteil aktueller Qualitätsmodelle und damit verknüpfter Ordnungsschemata (wie der Klassifikation therapeutischer Leistungen, KTL). Bisherige Vergütungsmodelle decken eine subgruppenspezifische Leistungserbringung über den Patientenmix mit ab. Sie berücksichtigen jedoch unterschiedliche Schweregrade nicht in Form differenzierter Vergütungssätze. Last but not least besteht in der Praxis noch immer eine semantische Unklarheit des Begriffes MBOR. Mit diesem wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Definitionen und damit ein unterschiedlicher Geltungsbereich verbunden.

Hinzu kommt, dass der Berufsbezug mit neuen Schwerpunkten in der Leistungserbringung einhergeht: MBOR ist zeitlich intensiver, verlangt eine umfassende, berufsgruppenübergreifende Diagnostik und erfordert neue therapeutische und auch methodisch-didaktische Prinzipien. Dies alles setzt in der Reha-Praxis hohe Veränderungsbereitschaft und nicht zu unterschätzenden Entwicklungs- und Anpassungsaufwand voraus, um sich solchen Neuerungen zu stellen.

Um dieses Dilemma aufzulösen – ein umfangreiches theoretisches und empirisches Wissen einerseits, geringes Umsetzungsniveau andererseits –, sind zukünftig 3 zentrale Aufgaben zu leisten: Erstens sollte genauer definiert werden, was unter „MBOR” konkret zu verstehen und wie sie auszugestalten ist. Zweitens sind die Leistungsträger, die die Anforderungen an die medizinische Rehabilitation definieren und über ihr elaboriertes Qualitätssicherungsprogramm kontinuierlich auf den Prüfstand stellen, gefordert, entsprechende Anreize zur Umsetzung zu setzen und damit Praxistauglichkeit herzustellen. Drittens müssen Leistungserbringer die Implementation von MBOR-Konzepten auch aus strategischer Sicht zu einer vordringlichen Entwicklungsaufgabe machen.

Das vorliegende Heft ist aus der 3. Reha-Werkstatt im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums im Juni 2010 im Reha-Zentrum Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung Bund entstanden. Es zeigt aktuelle Bestrebungen auf, die sich den genannten Aufgaben stellen. Die ersten 3 Beiträge von Bethge, Streibelt und Buschmann-Steinhage sowie der Arbeitsgruppe um Lukasczik erhellen die unklare „Erfolgsformel MBOR”: Wie sollten berufsbezogene Behandlungsansätze ausgestaltet sein? Welche Bandbreite an Maßnahmen existiert hierzulande? Welchen Anforderungen sollten diese genügen? Dabei deutet sich an, dass die Perspektive grundlegend überdacht werden muss: Eine erfolgreiche MBOR ist vor allem durch einen durchgängigen Rehabilitationsprozess definiert, beginnend bei der sozialmedizinischen Begutachtung über die konkrete Indikationsstellung in der Einrichtung bis zu damit verknüpften strukturierten Behandlungsprogrammen in Rehabilitation und auch Nachsorge. Diese Phasen müssen in entsprechenden praktischen Ausgestaltungen aufeinander abgestimmt sein. Ein solcher „prozessualer Charakter” ist per se kein Alleinstellungsmerkmal der MBOR. Die Chancen und vor allem Synergieeffekte, die eine solche innovative Betrachtung eröffnet, werden aber am Beispiel MBOR besonders deutlich!

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes ist von Bedeutung, dass aktuelle Qualitätskonzepte in der medizinischen Rehabilitation und der MBOR-Prozess stärker aufeinander abgestimmt werden. Dass dies ein durchaus realisierbares Unterfangen ist, versuchen Vorsatz und Brüggemann aufzuzeigen. Die Beiträge von Bürger und Streibelt zur Stufenweisen Wiedereingliederung sowie der Beitrag von Lamprecht u. a. zur Nachsorge zeigen den engen Bezug der MBOR zu angrenzenden Konzepten auf. Daraus ergeben sich weiterführende Themen für die Rehabilitationsforschung im Bereich der MBOR. So existieren beispielsweise bislang kaum Überlegungen zur Fortschreibung des MBOR-Prozesses in den Bereich der Nachsorge hinein. Insbesondere sollten aber auch weiterführende Interventionsstudien zu spezifischen Wirkfaktoren einzelner therapeutischer Inhalte sowie meta-analytische Ansätze die Evidenzlage der MBOR weiter verbessern helfen.

Literatur

  • 1 Hillert A, Müller-Fahrnow W, Radoschewski FM. Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation.. Grundlagen und klinische Praxis Köln: Deutscher Ärzteverlag; 2009
  • 2 Streibelt M. Steuerung besonderer beruflicher Problemlagen als Voraussetzung effektiv durchgeführter medizinischer Rehabilitationsleistungen.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2010;  86 5-14

In eigener Sache

„eFirst”

Sie als Leser möchten so schnell wie möglich über neue Publikationen informiert sein und die Autoren freuen sich über eine sehr zeitnahe Veröffentlichung. Deshalb gibt es ab sofort bei der Rehabilitation eFirst. Aber was bedeutet das genau?

Ganz einfach: Sobald das Manuskript zur Publikation angenommen und vom korrespondierenden Autor freigegeben ist, wird es elektronisch im Internet publiziert. Oftmals Wochen bevor es in der gedruckten Version im Heft erscheint – eben eFirst! Die eFirst-Publikation gilt im bibliografischen Sinne als vollwertig publiziert und ist zitierfähig. Unabhängig von der eFirst-Publikation werden die Artikel natürlich wie bisher auch in einer der nächsten Printausgaben der „Rehabilitation” veröffentlicht.

Wo finde ich die eFirst-Artikel?

Sie haben 3 Möglichkeiten: Zum einen ist auf der Homepage der Rehabilitation (www.thieme.de/rehabilitation) in der linken Navigationsleiste ein Link zu eFirst. Zum anderen finden Sie die eFirst-Manuskripte – wie alle anderen publizierten Arbeiten – in der Thieme-Volltext-Datenbank Thieme eJournals unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/rehabilitation (Button eFirst). Ein dritter schneller und unkomplizierter Weg ist der Alert-Service von Thieme eJournals (rechte Navigationsspalte): Ein Newsletter informiert Sie per E-Mail über alle neuen eFirst-Artikel. Die E-Mail beinhaltet den Titel der Publikation, die Autoren und einen direkten Link zum Artikel. Probieren Sie es doch einfach mal aus!

Wie wird ein eFirst-Artikel zitiert?

Zum Zeitpunkt der eFirst-Publikation gibt es weder eine Seitenzahl, noch eine Heftnummer und selbst das Erscheinungsjahr steht nicht immer fest. Zu diesem Zweck gibt es den Digital Object Identifier (DOI). Jeder Artikel – egal ob eFirst oder Print – erhält seinen DOI – vergleichbar mit der ISBN-Nr. von Büchern. Dieser DOI bleibt „lebenslänglich” mit dem Artikel verknüpft. Sie finden ihn bei den bibliografischen Angaben. Über diesen DOI zitieren Sie den eFirst-Artikel wie folgt:

Welti F. Rechtsfragen der Bedarfsfeststellung für Leistungen zur Teilhabe. Rehabilitation; DOI: 10.1055/s-0030-1270437

Sobald der Artikel auch in gedruckter Version erschienen ist, erhält er zusätzlich zum DOI noch die regulären Angaben zu Bandnummer, Seitenzahl und Jahr und kann nun auch mit diesen Angaben folgendermaßen zitiert werden:

Welti F. Rechtsfragen der Bedarfsfeststellung für Leistungen zur Teilhabe. Rehabilitation 2011; 50 (1): 7–10

Wir freuen uns, dass wir Ihnen mit eFirst – als Autor und als Abonnent – einen neuen Service bieten können und wünschen Ihnen viel Spaß mit den neuesten Publikationen rund um die Rehabilitation, die Sie ab jetzt mithilfe von eFirst noch früher lesen können.

Ihre

Katrin Stauffer

Programmplanerin

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Dr. Ferdinand Schliehe

An der Blankenburg 18

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