Rehabilitation (Stuttg) 2011; 50(4): 267-268
DOI: 10.1055/s-0031-1277159
Bericht

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Symposium „Rehabilitation in der Kinder- und Jugendheilkunde” vom 14. bis 15.1.2011 in Berchtesgaden

Symposium “Rehabilitation in Child and Adolescent Medicine”, January 14–15, 2011 in BerchtesgadenF. Petermann1
  • 1Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen
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Publication Date:
28 July 2011 (online)

Am 14. und 15. Januar 2011 fand im Kur- und Kongresshaus Berchtesgaden das Symposium „Rehabilitation in der Kinder- und Jugendheilkunde” statt. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dietrich Reinhardt (Ludwig-Maximilians-Universität München), Prof. Wolfgang Sperl (Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg) und Dr. Helmut Langhof (Klinik Schönsicht, Berchtesgaden) geleitet und in enger Kooperation mit der Technischen Universität München, der Klinik Schönsicht in Berchtesgaden, der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Rehabilitation und Prävention sowie dem Universitätsklinikum Salzburg realisiert.

In einer Vielzahl von Vorträgen wurde ein breites Spektrum rehabilitationsspezifischer und auf die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen ausgerichteter Aspekte thematisiert, wie die Epidemiologie, Klassifikation und rehabilitative Ansätze bei chronischen Erkrankungen und indikationsspezifische Interventionsmaßnahmen bei den besonders häufigen chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Darüber hinaus wurden spezifische Elemente und Besonderheiten der pädiatrischen Rehabilitation diskutiert.

Die Einführung in das Thema erfolgte durch Prof. Reinhardt. In sehr differenzierter Weise thematisierte Dr. Johannes Oepen (Viktoriastift, Bad Kreuznach) neue Befunde zur Epidemiologie chronischer Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Im Anschluss gab Dr. Jan Reinhardt (Universität Luzern) einen Überblick über die derzeitig aktuelle internationale ICF-Klassifikation als Paradigma, Standard und Werkzeug der medizinischen Rehabilitation. Deutlich wurde, dass die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) bzw. die Kinder- und Jugendversion ICF-CY zwar umfassende Perspektiven für die Rehabilitation in dieser Altersgruppe bietet, empirische Studien und Weiterentwicklungen jedoch dringend erforderlich sind, nicht zuletzt auch um diagnosespezifische Core Sets zur Verfügung zu haben, die entwicklungsbezogene Aspekte berücksichtigen. Die aktuelle Situation der medizinischen Rehabilitation bei chronisch kranken Kindern und Jugendlichen mit Adipositas, Neurodermitis, Diabetes und Asthma wurde von Dr. Rainer Stachow (Fachklinik Sylt) im Anschluss skizziert. Besonders hervorgehoben wurden die Besonderheiten der Rehabilitanden hinsichtlich entwicklungsbezogener Aspekte und innerfamiliärer Strukturen, aber auch die Schwierigkeit, auf die individuelle Problematik der Betroffenen im Rahmen des stationären Aufenthaltes eingehen zu können. Dem Thema der Rehabilitation von Jugendlichen wurde eine besondere Rolle zuteil (vgl. auch [1]).

Den Schwerpunkt des Beitrages von Hermann Josef Bahl (Knappschaft Bahn-See, Bochum) bildeten sozialmedizinische Grundlagen zur Kinder- und Jugendlichenrehabilitation. Hierzu wurden rechtliche Aspekte und gesetzliche Voraussetzungen primärpräventiver und rehabilitativer Leistungen der knappschaftlichen Krankenversicherung erläutert.

Im Themenkomplex Chronische Krankheiten am zweiten Veranstaltungstag berichtete Prof. Carl-Peter Bauer (Fachklinik Gaißach/TU München) über die Herausforderungen und Besonderheiten der Rehabilitation pneumologischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter (Asthma und Allergien). Prof. Bauer zeigte auf, wie sich nach der ESTAR-Studie in den letzten Jahren die pneumologische Rehabilitation weiterentwickelt hat [2]. Im Anschluss widmete sich Dr. Daniel Weghuber (Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg) dem Themenbereich physische und psychische Komorbiditäten der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Hierbei wurde besonders eine sorgfältige, umfassende und strukturierte metabolische und psychologische Diagnostik gefordert.

Prof. Martin Wabitsch (Universitätskinderklinik Ulm) ging ausführlich auf die Bedeutung des metabolischen Syndroms im Kontext der Adipositas und anderer Stoffwechselkrankheiten (u. a. Diabetes mellitus) ein. Neueste Übersichtsarbeiten verdeutlichen Langzeitfolgen des metabolischen Syndroms in drastischer Weise. Priv.-Doz. Dr. Steffen Berweck (Behandlungszentrum Vogtareuth) illustrierte die Möglichkeiten der neurologischen Früh- und Langzeitrehabilitation. Besonders instruktiv waren dabei die Möglichkeiten, neue Technologien in der Reha-Medizin zu nutzen.

Priv.-Doz. Dr. Johannes Peter Haas (Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, Garmisch-Partenkirchen) stellte im anschließenden Vortrag medizinische Grundlagen und Aufgaben kinderrheumatologischer Rehabilitation vor und betonte hierbei den hohen Stellenwert und den Bedarf an altersspezifischen Patientenschulungen. Prof. Franz Petermann (Universität Bremen) berichtete in einem grundlegenden Beitrag über die Bedeutung psychosozialer Faktoren bei chronisch erkrankten Kindern und Jugendlichen. Dabei wurden die Besonderheiten pädiatrischer Rehabilitation gegenüber jenen der Erwachsenenrehabilitation deutlich; er ging dabei vor allem auch auf die Ressourcenorientierung in der Kinderrehabilitation ein [3].

Im Themenblock Rehabilitationsspezifische Maßnahmen stellte Prof. Martin Halle (Technische Universität München) den Stellenwert der Sporttherapie als integrativen Teil einer ganzheitlichen medizinischen Behandlung am Beispiel verschiedener chronischer Krankheiten dar. Im Anschluss berichtete Prof. Kurt Widhalm (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Wien) in seinem Vortrag über die HELENA-Studie (Healthy Lifestyle in Europe by Nutrition in Adolescence). Dieses europaweit einzige Projekt erhebt mit standardisierten Methoden an 4 156 Jugendlichen (8.–11. Schulstufe) umfassende Daten über den Gesundheits-, Bewegungs- und Ernährungszustand. Der Themenbereich psychosomatische Erkrankungen und psychosoziale Aspekte chronisch kranker Kinder und Jugendlicher wurde von Prof. Petermann behandelt. Hierbei wurden die Möglichkeiten und Effekte (familien-)psychologischer Interventionen und Hilfen vertieft [4] [5].

Dr. Langhof hob im Anschluss in seinem Vortrag den Wert sportmedizinischer Belastbarkeitsmessungen während des Therapiesports chronisch kranker Kinder und Jugendlicher hervor. Dr. Monika Siegrist (Technische Universität München) berichtete über ein Projekt zum Einfluss genetischer Faktoren auf den kurz-, mittel- und langfristigen Therapieerfolg bei übergewichtigen bzw. adipösen Kindern und Jugendlichen (LOGIC-Projekt) nach multimodaler Therapie in der Klinik Schönsicht in Berchtesgaden. Ein besonderer Bereich der medizinischen Rehabilitation wurde von Dr. Stachow beleuchtet. In seinem Beitrag „Nachsorge und Netzwerke für chronisch Kranke” wurden die Effekte, Nebeneffekte und insbesondere die Nachhaltigkeit rehabilitationsmedizinischer Behandlung chronisch kranker Kinder und Jugendlicher deutlich.

Insgesamt konnte die Veranstaltung ein breites Spektrum rehabezogener Aspekte und Fragestellungen für die Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bearbeiten. Die Komplexität, aber auch die Relevanz der besonderen Berücksichtigung dieser Altersgruppe in der medizinischen Rehabilitation wurde vielfach deutlich und von den Referenten unterstrichen.

Literatur

  • 1 Stachow R, Kiera S, Tiedjen U, Petermann F. Chronisch kranke Jugendliche: Compliance und psychische Symptome.  Monatsschrift Kinderheilkunde. 2009;  157 1141-1146
  • 2 Bauer C-P, Petermann F. DRGW-Update: Medizinische Rehabilitation mit Kindern und Jugendlichen.  Rehabilitation. 2010;  49 217-223
  • 3 Petermann F, Schmidt MH. Ressourcenorientierte Diagnostik – eine Leerformel oder nützliche Perspektive?.  Kindheit und Entwicklung. 2009;  18 49-56
  • 4 Siniatchkin M, Darabaneanu S, Gerber-von Müller G. et al . Kinder mit Migräne und Asthma: Zur Rolle der Eltern-Kind-Interaktion.  Kindheit und Entwicklung. 2010;  19 27-35
  • 5 Hampel OA, Hasmann SE, Schaadt AK. et al . Effekte des Stepping Stones Elterngruppentrainings für Familien mit behinderten Kindern.  Kindheit und Entwicklung. 2010;  19 36-46

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Franz Petermann

Zentrum für Klinische

Psychologie und Rehabilitation

Universität Bremen

Grazer Straße 6

28359 Bremen

Email: fpeterm@uni-bremen.de

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