NOTARZT 2011; 27(6): 247-248
DOI: 10.1055/s-0031-1276904
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patientensicherheit im Rettungsdienst

Patient Safety in emergency Medical CareS.  Wirtz1
  • 1Vorsitzender der AGNN, Chefarzt, Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Asklepios Klinik Barmbek
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Publication Date:
05 December 2011 (online)

In diesem Heft geht es um Patientensicherheit, nicht um Patientensicherheit allgemein, sondern ganz speziell um Patientensicherheit im Rettungsdienst. Was meint das? Gehen wir nicht immer sicher vor, gerade im Rettungsdienst, wo es doch so viel um Sicherheit geht, Rettungsdienst, Feuerwehr, Eigenschutz, Eigensicherung, Sicherheitskleidung, oder geht es dort vielmehr um Hilfeleistung, Geschwindigkeit, Zeit ist Leben, Zeit ist Muskel, Zeit ist Hirn, das Beste geben, was unter den Bedingungen möglich ist, auch mal ein Risiko eingehen?

Für den gesamten Bereich der medizinischen Leistungserbringung sind eine Fülle von Qualitätskriterien formuliert, Zertifizierungen erfolgt. Leitliniengerechte medizinische Versorgung wird eingefordert und Maßnahmen zur Patientensicherheit in den Versorgungsprozessen werden seit vielen Jahren zunehmend umgesetzt. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) hat Risikobereiche identifiziert und Umsetzungsstrategien vorgelegt. Allerdings: die präklinische Notfallmedizin scheint bisher an dieser Entwicklung nicht ausreichend Anteil zu nehmen. Obwohl allen Beteiligten klar ist, dass es sich bei der notfallmedizinischen Versorgung um eine grundsätzlich gefahrgeneigte Tätigkeit handelt, ist eine Umsetzung von Sicherheitsstrategien bisher nicht klar zu erkennen. Mängel in der Aus-, Fort- und Weiterbildung werden in Studienergebnissen beklagt, aber Konsequenzen bleiben bisher meist aus. Obwohl es Trainingsmöglichkeiten in Simulatorzentren gibt, werden diese nicht umfassend genutzt, weil es keine Freistellung und Finanzierung für solch aufwendige Lernverfahren gibt. Notfallmedizin bedeutet wenig Zeit, wenig Information, unbekannte Umgebung, schlechte Beleuchtung, ungünstige Hygienebedingungen, ein Team, das sich heute zum ersten Mal begegnet – und keine Ausbildung im Crisis-Ressource-Management hat, weil das in der Freizeit nebenbei nicht untergebracht werden konnte. Gerade in der Krisensituation wäre es aber besonders wichtig – Muss jeder selbst dafür sorgen? oder ist es nicht vielmehr eine Aufgabe der Organisation eines guten Versorgungssystems? Also gehen wir es an:

Notfallmedizinische Leistungen sind im SGB V immer noch unter Transportleistungen abgebildet und nicht als Versorgungsbereich qualifizierter (notfall-)medizinischer Leistung. Damit sind die in der Medizin sonst normalen Qualitätsanforderungen (Maßnahmen der externen Qualitätssicherung, medizinische Qualitätskennzahlen) hier immer nur freiwillig, hilfsweise und mit Abstrichen möglich. Denn Leistungen, die vom Gesetzgeber nicht eingefordert und vom Kostenträger nicht anerkannt sind, werden auch nicht finanziert. Hier ist Handlungsbedarf: Notfallmedizin ist eine qualifizierte medizinische Leistung und muss im SGB V auch so abgebildet werden.

Föderale Organisation von Weiterbildung heißt in Deutschland: 17 unterschiedliche Weiterbildungsordnungen setzen Empfehlungen der Bundesärztekammer unterschiedlich um [1], verschiedene Weiterbildungszeiten und -inhalte, weder lerndidaktisch, noch medizinisch begründbar, aber wir akzeptieren damit ein unterschiedliches Qualifikationsniveau der Notärzte.

Zehn Jahre politische Diskussionen und Tauziehen um ein neues Rettungsassistentengesetz bisher ohne Ergebnis, würde es doch die Ausbildung den heutigen Bedarfen entsprechend neu gestalten können und eine verbindliche Regelung zur regelmäßigen Fortbildung erreichen – Minimalforderungen, die sich in Versorgungsqualität niederschlagen können. „Patientensicherheit ist das Produkt aller Maßnahmen in Klinik und Praxis, die darauf gerichtet sind, Patienten vor vermeidbaren Schäden in Zusammenhang mit der Heilbehandlung zu bewahren“, so heißt es im Glossar Patientensicherheit – Definitionen und Begriffsbestimmungen 2005 der BÄK [2]. In der englisch-sprachigen Definition heißt es dort: „Sicherheit entsteht durch Wechselwirkungen zwischen Systemkomponenten; sie ruht nicht in einer Person, einem Apparat oder einer Abteilung. Die Verbesserung der Sicherheit hängt ab von der Erkenntnis, wie Sicherheit aus dem Zusammenwirken der einzelnen Komponenten des Systems entsteht. Patientensicherheit ist ein Bestandteil der Qualität des Gesundheitswesens.“

Aus der Definition wird es klarer: wenn wir lernen, Fehler als Chance zu akzeptieren, wenn wir lernen, zu fragen, wie wir ein Ergebnis verändern können, wie uns Beinaheereignisse dabei helfen, wie ein Team seine tatsächlichen Ressourcen nutzen kann, wie Handelnde und Verantwortliche im Rettungsdienst gemeinsam die Patientensicherheit in den Vordergrund stellen können, dann können wir aufhören, danach zu suchen, wer die Schuld an einem Fehler hat.

Literatur

Dr. S. Wirtz

Vorsitzender der AGNN, Chefarzt, Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Asklepios Klinik Barmbek

Rübenkamp 220

22291 Hamburg

Email: s.wirtz@asklepios.com

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