Zusammenfassung
Ziel der Studie: Jedem Antragsteller auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (und sonstige
Leistungen zur Teilhabe) steht nach § 9 Abs. 1 SGB IX ein Wunsch- und Wahlrecht in
Bezug auf alle Fragen zu, die zur Konkretisierung rehabilitativer Leistungen von Bedeutung
sind. Die vorliegende Studie zielte auf die Exploration der Wünsche von Rehabilitanden,
ihrer Einstellungen und Erfahrungen zu Aspekten des Wunsch- und Wahlrechts sowie ihrer
Kriterien bezüglich der Auswahl einer Rehabilitationseinrichtung.
Methode: Insgesamt wurden 10 leitfadengestützte Fokusgruppen mit 71 männlichen und weiblichen
Rehabilitanden zwischen 26 und 80 Jahren aus 5 Indikationsbereichen durchgeführt.
Es erfolgte eine zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse der Gesprächstranskripte.
Ergebnisse: Personen, die einen Antrag auf eine Leistung der medizinischen Rehabilitation stellten,
erhielten während des Antragsprozesses in der Regel keine Informationen zum Wunsch-
und Wahlrecht. Anträge, die im Verfahren der Anschlussheilbehandlungen behandelt wurden,
waren von nur vorgeblich vorhandenen Wunsch- und Wahlmöglichkeiten („Pseudo-Wunsch-
und Wahlrecht”) gekennzeichnet. Dieses mangelnde Mitspracherecht wurde selten beanstandet.
Solange die Rehaleistung überhaupt genehmigt wurde, sei die Wahl der Rehaeinrichtung
„egal”. Es wurden verschiedene Argumente gegen das Wunsch- und Wahlrecht vorgebracht,
insbesondere der Mangel an Informationen und Zeit zur Durch- und Umsetzung des Wunsch-
und Wahlrechts. Bewilligungsbescheide nannten regelhaft keine Gründe für die Nichtbeachtung
geäußerter Wünsche, obwohl dies in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ausdrücklich gefordert
ist. Viele Befragte hatten sich bei der Beantragung ihrer Rehaleistung wenig Gedanken
über eine Auswahl der Rehaeinrichtung gemacht. Den meisten Rehabilitanden fiel es
entsprechend schwer, Auswahlkriterien zu nennen.
Diskussion: Insgesamt ist der Wissensstand über das Wunsch- und Wahlrecht bei den Betroffenen
eher gering. Dies erschwert seine Umsetzung erheblich. Die Voraussetzungen für eine
informierte und berechtigte Auswahlentscheidung sind unter diesen Bedingungen nur
sehr eingeschränkt gegeben. Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts scheint für das
Gros der Befragten eher gering zu sein.
Schlussfolgerungen: Aus sozialrechtlicher Perspektive ist zu fordern, Rehaantragsteller besser über ihr
Wunsch- und Wahlrecht aufzuklären und sie in die Lage zu versetzen, auf der Basis
objektiver und valider Informationen Auswahlentscheidungen treffen zu können. Die
generell von Rehabilitanden einzufordernde aktive Rolle im Rehabilitationsprozess
sollte auch bei der Einrichtungsauswahl gefordert und gefördert werden.
Abstract
Objectives: Everyone applying for medical rehabilitation (and other benefits to support participation)
has a “Wunsch- und Wahlrecht” (meaning the right to individual wishes and choice relative
to assessments, services and institutions as well as to the various benefits) according
to § 9 of Book 9 of the German Social Code (SGB 9) concerning every aspect of the
implementation of these services. This study was aimed at exploring the wishes of
rehabilitants, their attitudes towards and experiences with the various aspects of
the “Wunsch- und Wahlrecht” as well as their criteria in choosing a rehabilitation
centre.
Methods: A total of 10 open guided focus groups were conducted with 71 male and female participants
from 5 different indications and aged between 26 and 80 years. Transcripts were analyzed
by means of a summary content analysis.
Results: Persons applying for medical rehabilitation benefits did not as a rule get information
about their “Wunsch- und Wahlrecht” during the application process. Applying for post-hospital
rehabilitation often meant to be faced with an only allegedly existing choice (“pseudo
Wunsch- und Wahlrecht”). The participants objected only rarely to this missing share
in decision-making. Most of them did not care about their rights to choose a rehab
centre if only the application for rehabilitation was allowed. Various arguments were
brought forward against the “Wunsch- und Wahlrecht”, especially insufficient information
about and time for enforcement and implementation of the “Wunsch- und Wahlrecht”.
Despite an explicit stipulation in § 9 SGB 9, notices of approval rarely stated reasons
for ignoring the wishes expressed by the applicants. Many participants had reflected
only little about choosing a specific rehab centre when applying for rehabilitation.
Accordingly, most of the participants had difficulties to mention possible selection
criteria.
Discussion: On the whole, applicants have Only little knowledge about the “Wunsch- und Wahlrecht”.
This complicates its implementation considerably. The preconditions for making informed
and valid choices between different clinics are not given under these circumstances.
Most interviewees do not attach much value to the “Wunsch- und Wahlrecht”.
Conclusions: From a social law perspective, it should be demanded that rehab applicants have to
get better information about their “Wunsch- und Wahlrecht” and that they must be empowered
to decide on their choice based on objective and valid information. The active role
in the rehabilitation process that should generally be demanded from rehabilitants,
should also be encouraged and fostered in choosing a rehabilitation centre.
Schlüsselwörter
Wunsch- und Wahlrecht - qualitative Forschung - Shared Decision Making - Rehabilitationsrecht
- Patientenorientierung
Key words
“Wunsch- und Wahlrecht” - right to options and choice - qualitative research - shared
decision making - rehabilitation law - patient orientation