Zeitschrift für Palliativmedizin 2011; 12(3): 110-111
DOI: 10.1055/s-0031-1274672
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„Ich bin ein Clown und sammle Augenblicke.“ (H. Böll) – … und samstags kommt Rosalinde – Eine Clownin auf der Palliativstation

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Publication Date:
17 May 2011 (online)

 

Es gibt zweifelsohne Personen und Personal, deren Anblick auf einer Palliativstation zu erwarten ist; dies gilt zum Beispiel für die Schwestern und Pfleger sowie Ärzte, Krankengymnasten und Physiotherapeuten mit ihren jeweiligen Berufsbekleidungen, aber ebenso für Case-Manager, Sozialarbeiter und Psychologen, die in „Zivil“ ihrer Tätigkeit nachgehen. Auch das Erscheinen der Kunsttherapeutin, die einen mit diversen, teilweise recht ungewöhnlichen Materialien und Utensilien bepackten Trolley hinter sich herzieht, überrascht allenfalls kurzzeitig.

Immer wieder samstags: Sr. Doris (links) und Sr. Alexandra freuen sich über den Besuch von „Rosalinde“ (Quelle: Thomas Neuhaus).

Aber samstags kommt Rosalinde, ein – im weitesten Sinne – weibliches Wesen mit wirrer Mähne, das in einem schrägen Outfit steckt und aus dessen grell geschminktem Gesicht eine dicke rote Nase ragt. Wer ist das denn? Eine Clownin? Hier auf der Station?

Ja, genau, eine Clownin – auf einer Palliativstation.

Der Kontakt kam zustande über eine lokal ansässige, äußerst aktive Laien-Organisation, der Dehrner Krebsnothilfe. Ein Mitglied aus dem Vorstand wusste, dass Rosalinde, die von der Diplom-Pädagogin und Supervisorin Birgit Kurz verkörpert wird, seit etwa 3 Jahren alle 2 Wochen für mehrere Stunden ein Hospiz der Region besucht und dort ein sehr gern gesehener Gast ist. Hieraus ergab sich die Überlegung, ob nicht auch die Patientinnen und Patienten auf der Palliativstation von Rosalindes Aktivitäten profitieren könnten. In einem ersten Gespräch hatten Frau Kurz und ich uns auf einen Probetag geeinigt, und da dieser zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten verlaufen war, erscheint Rosalinde seit etwa 6 Monaten jeden 4. Samstag für 2 bis 3 Stunden auf der „Palli“.

Flexibilität ist Voraussetzung

Frau Kurz informiert sich an ihren Arbeitstagen zunächst bei den Pflegekräften über die aktuellen Patienten, wobei sich der Austausch auf wesentliche Themen beschränkt. Anschließend wandelt sich Frau Kurz in ihr Alter Ego Rosalinde, um dann von Zimmer zu Zimmer zu gehen und sich vorzustellen. Die Wandlung von der „normalen“ Frau zur Clown- und Kunst-Figur Rosalinde ist weit mehr als nur eine banale Verkleidung. Frau Kurz lebt Rosalinde in und mit aller Konsequenz, sie spricht, handelt und denkt als Clownin, und sie hält dies dauerhaft durch. Andererseits stellt sie sich auf neue Begebenheiten und Gesprächspartner ein, greift Situationen spontan auf und nutzt diese beispielsweise, um Unterhaltungen einzuleiten.

Eine solche Flexibilität ist erforderlich, ja, Voraussetzung für ihre Tätigkeit, denn die Reaktionen der Patienten, die über das Erscheinen der Clownin nicht vorab informiert werden, fallen sehr unterschiedlich aus, wenn Rosalindes Kopf samt Nase in der Tür auftaucht. Wenngleich Ungläubigkeit das vorherrschend ausgelöste Empfinden bei den Patienten ist – kennen sie Clowns doch außerhalb vom Zirkus allenfalls noch aus Kinderkliniken, aber nicht von einer Palliativstation – wird ebenso mit Erstaunen und Freude reagiert. Und auch wenn die Patienten nicht selten Misstrauen zeigen, so ist echte Ablehnung doch die Ausnahme, kommt aber ebenfalls vor und führt dann zu einem vorsichtigen Rückzug aus dem Zimmer. Fehlen aber diese abwehrenden Signale, trete sie „jedes Mal eine Forschungsreise an“, so Frau Kurz selbst und verweist dabei auf die Etymologie des Begriffes Clown: „Ursprung ist das lateinische Wort colonus, was Siedler bedeutet, und wie ein Siedler beschreite ich bei jedem Patienten und bei jedem Besuch ein neues, unbekanntes Land.“

Die folgenden Begegnungen können leise oder laut ablaufen, können Monologe oder Diskussionen beinhalten, können in Lachen oder Tränen münden. Häufig versucht Rosalinde, Stimmungen und Schwingungen aufzunehmen, um diese dann spielerisch darzustellen, mit oder ohne den Patienten. „Ich kann und darf als Clownin etwas ausdrücken und herausstellen, was der Patient vielleicht nicht kann oder darf. Ich bin somit eine Art Übersetzer für nicht geäußerte Gefühle“, so Frau Kurz. Dabei gelte es aber stets, die ethischen Richtlinien für die Clownsarbeit im Gesundheitswesen zu beachten. Diese schreiben zum Beispiel einen respektvollen, authentischen Umgang mit dem Gegenüber, den gespielten Rollen und den eigenen Gefühlen vor. Es geht nicht um Selbstdarstellung oder einen Auftritt als Bühnenclown, vielmehr steht das Geben im Vordergrund mit dem Ziel der Aktivierung der Selbstheilungskräfte, ausgerichtet am jeweiligen Zielpublikum.

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