ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2011; 120(1/02): 48-49
DOI: 10.1055/s-0031-1272939
Colloquium

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Vorschau auf die Internationale Dental-Schau 2011 – App und Oralscanner - Messe und Zahnheilkunde bewegen sich ins Digitale

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 February 2011 (online)

 

Die Internationale Dental-Schau öffnet vom 22. bis zum 26. März in Köln ihre Pforten - die Möglichkeit zur umfassenden Information über alle wichtigen Innovationen in der Branche. Welche neuen Chancen sie der Zahnarztpraxis eröffnen können, erläutert in unserem Interview Dr. Martin Rickert, Vorsitzender des Verbands der Deutschen Dental-Industrie (VDDI).

M. Rickert

? Herr Dr. Rickert, die Internationale Dental-Schau wird noch ein Stück größer - und moderner! Ich habe gehört, man kann erste Annäherungen jetzt schon mit dem Handy unternehmen. Wie geht das?

Dr. M. Rickert: Ja, wir rechnen auf der dentalen Weltleitmesse wieder mit mehr als 100 000 Besuchern, und inzwischen sind so viele davon technisch top ausgerüstet, nutzen zum Beispiel leistungsfähige Mobiltelefone, wie iPhone oder Blackberry. Über diese und einige weitere Betriebssysteme lässt sich ein eigens für die IDS geschaffenes App herunterladen. Diese spezielle Software-Application bietet ihrem Anwender folgenden Vorteil: Wie es bisher schon via Internet möglich war, können Sie jetzt sogar mit dem Handy den Katalog abrufen, über einen Online-Terminplaner vorab mit den Ausstellern in Kontakt treten und einen Gesprächstermin ausmachen und vieles mehr. Zum Beispiel führt Sie das Handy nach Eingabe der für Sie wichtigsten Messestände auf dem optimalen Weg durch die Hallen. Außerdem finden Sie über die App Informationen zu Gastronomieangeboten und zum gesamten IDS-Rahmenprogramm. Wie gewohnt, können Sie darüber hinaus Anreise und Aufenthalt inklusive Bahn- bzw. Flugticket - beide zu vergünstigten Lufthansa-Sonderkonditionen - und Hotelreservierung bequem über http://www.ids-cologne.de organisieren.

? Das hört sich ja recht komfortabel und fix an. Und was bleibt mir als weniger technikaffinem Mensch?

Dr. M. Rickert: Da können Sie auch auf konventionellem Wege einfach die Hotline der IDS anrufen, Frau Levermann-Pies unter 0180/5773577. Oder Sie schicken ihr eine E-Mail an Email: ids@visitor.koelnmesse.de - noch ein wenig mehr in Richtung Digitaltechnik werden Sie sich aber im Dentalbereich ohnehin bewegen.

? Wir konnten es in den letzten Jahren schon beobachten. Inwiefern setzt sich die Entwicklung fort?

Foto: Koelnmesse

Dr. M. Rickert: Die gesamte Prozesskette von der zahnärztlichen Abformung bis zur Herstellung der Prothetik im Labor läuft zunehmend über Bildschirm und Datenpakete. Auf der IDS vor 2 Jahren hat sich dies mit den ersten Oralscannern angekündigt. Heute bietet eine ganze Reihe von Unternehmen dafür unterschiedliche Geräte und Techniken. Manche basieren auf Videosignalen, andere auf der Verwendung blauer LED oder auf dem konfokalen Prinzip. Wer die IDS besucht, ist danach umfassend informiert und im Vorteil. Da fällt die Entscheidung leichter, welche Technologie in der eigenen Praxis installiert wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der chairside- oder labside-Fertigung von Restaurationen und nach der Art der Kommunikation mit dem Zahntechniker und inwieweit eine Zusammenarbeit im Netzwerk mit der Industrie sinnvoll erscheint. Hier ist es wie bei der Planung des Messerundgangs: Telefon, E-Mail oder Internetplattform?

? Wie stark wird sich die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten ändern?

Dr. M. Rickert: Digitalisierung der Zahnheilkunde heißt nach meiner Einschätzung auch: neue Geschäftsmodelle, flexible Partnerschaften, individuellere Lösungen für den Patienten. Dafür sollte jede Praxis jetzt die Weichen in die für sie richtige Richtung stellen. Neben der schon erwähnten Arbeitsaufteilung ist dabei für viele Betriebe auch eine direkte Zusammenarbeit mit der Industrie interessant. So kann der Techniker im Praxislabor auf industriell gefräste Stege aus Titan oder Kobalt-Chrom oder auf ebenfalls industriell gefräste Abutments aus Zirkonoxid zurückgreifen.

? Diese Beispiele betreffen den großen und wichtigen Bereich der Prothetik. Daneben wird der Alltag fast jeder Praxis geprägt von der Füllungstherapie. Welche Innovationen erscheinen Ihnen auf diesem Gebiet besonders interessant?

Dr. M. Rickert: Sie werden vielleicht überrascht sein, aber ich habe im Bereich der Glasionomerzemente, einem als "ausgereizt" geltendem Gebiet, neue Produkte ausgemacht. Sie bieten unter anderem eine längere Liegezeit und eröffnen damit die Möglichkeit, dem Patienten mit diesem Werkstoff, wenn nicht definitive so doch semipermanente Lösungen zu bieten. Daneben werden auf der IDS sicherlich auch weiter entwickelte Komposite vorgestellt. Der Fortschritt bei allen diesen Materialien vollzieht sich zwar nicht in Evolutionssprüngen, aber kleinere und auch etwas größere Verbesserungen bedeuten für die Praxis in summa doch eine nicht unerhebliche Zeit- und Kostenersparnis und ein komfortableres Arbeiten.

? Dasselbe wünscht man sich natürlich auch in der Endodontie, nur waren da vor 2 Jahren wenige echte Innovationen zu sehen, oder?

Dr. M. Rickert: Ohne dies vertiefen zu wollen, teile ich Ihre Ansicht eher nicht. Wie dem auch sei, bei den letzten beiden Messen waren hier etliche Fortschritte im Detail zu verzeichnen. Jetzt kommen gleich mehrere Hersteller mit neuen maschinengetriebenen Feilen und zum Teil neuartigen Bohrstrategien auf den Markt, welche die Wurzelkanalaufbereitung entscheidend vereinfachen könnten.

Das betrifft auch neue Verfahren, die sich anschicken, die Vorteile von "Crown-down"- und "Single-Length"-Technik zu vereinen. Andere Anbieter werden die Mindestanzahl der benötigten Feilen noch weiter minimieren. Für den Einsteiger wie für den Endo-Spezialisten gibt es in Köln auf jeden Fall etwas Interessantes zu sehen.

? Welche Neuheiten können wir denn darüber hinaus von der IDS erwarten?

Dr. M. Rickert: Die lassen sich natürlich kaum alle aufzählen, so will ich an dieser Stelle ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige weitere Schwerpunkte nennen: In der Kieferorthopädie finden sich zum Beispiel neue Behandlungsstühle, die extra für diesen Fachbereich konzipiert sind sowie neue Software-Tools für die Auswertung digitaler Röntgenaufnahmen. Im gesamten Bereich der Bildgebung kommt es zur Zusammenführung unterschiedlicher Verfahren in kompakten Kameras. Und auch die digitalen Volumentomografen dürften sich in Zukunft noch größerer Beliebtheit erfreuen. Für den boomenden Bereich der Implantologie habe ich bereits die industriell gefrästen Abutments erwähnt, wobei inzwischen sowohl 1- als auch 2-teilige über Netzwerk-Services erhältlich sind. Des Weiteren sind bei verschiedenen Herstellern die konischen Verbindungen auf dem Vormarsch. Besonders ins Auge stechen vielleicht die neuen Zirkonoxid-Implantate mit rosa Einfärbung. Von den Rohlingen für die klassische Kronen- und Brückenprothetik ist das schon bekannt. Hier wie dort soll die Farbe zur Verbesserung der Ästhetik beitragen.

? Nun hat Zirkonoxid die ästhetischen Möglichkeiten zweifellos bereichert, aber die meisten Restaurationen entstehen nach wie vor in Metallkeramik ...

Dr. M. Rickert: Ja, das stimmt, und dieser Bereich kommt mitunter zu kurz. Dabei beeindruckt es doch immer wieder, welche Forschungsanstrengungen gerade für Edelmetalle unternommen werden. Der Trend geht hier zu verschiedenen Speziallegierungen. Einige davon punkten, indem sie durch einen reduzierten Goldanteil den durch Spekulationen auf den internationalen Goldmärkten rasanten Preisanstieg einer Krone oder Brücke dämpfen - unter größtmöglicher Bewahrung der Vorzüge des klassischen Werkstoffs.

? Ein weiteres Feld stellt der große Bereich der zahnärztlichen Prophylaxe dar. Tritt er in den Hintergrund, weil er nicht so digital daherkommt?

Dr. M. Rickert: Nein, das sehe ich ganz anders. Denken Sie nur an das im vergangenen Jahr prämierte ausgezeichnete "Dental Game", entwickelt von einer Gruppe aus Zahnmedizinern und Informatikern um Dr. Johan Wölber von der Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Freiburg. Dieses Computerspiel eröffnet in einer 2-D-Spielumgebung und mit 3 verschiedenen Eingabequellen Kindern und Jugendlichen einen völlig neuen Zugang zur zahnmedizinischen Prophylaxe. Motivierende Feedback-Mechanismen sorgen für viel Spaß bei der spannenden Aufgabe, eine Gruppe von 3 Zähnen über 3 Minuten hinweg vor der Zerstörung durch bestimmte Nahrungsmittel zu schützen - mithilfe von Zahnbürste, Zahnseide und Mundspüllösung. In diesen 3 Produktbereichen wird es sicherlich auch Innovationen geben, doch viel wichtiger ist zurzeit aus meiner Sicht das Thema Kommunikation. Dabei liegt es mir am Herzen, dass neben allen beeindruckenden und gerade zur Patientenmotivation sehr nützlichen technischen Finessen die individuelle menschliche Zuwendung durch das zahnärztliche Team hier eine wesentliche, ja sogar entscheidende Rolle spielt.

? Ein wenig ausgeklammert haben wir bisher das Gebiet der Praxishygiene ...

Dr. M. Rickert: ... vielleicht weil sie im Hintergrund abläuft und das in aller Regel sehr zuverlässig. Dabei ist das ein Dauerbrenner - nicht zuletzt aufgrund der gesetzlich geforderten Einführung von Qualitätsmanagementsystemen. Denn diese betreffen ungefähr zur Hälfte die Praxishygiene. Die verantwortliche Assistenz, die das in den Griff bekommt, ist für mich genauso ein "Hero of the practice" wie der Top-Prothetiker. Dabei schaffen oft die kleinen Hilfsmittel, wie zum Beispiel berührungslose Seifen- und Handtuchspender, in ihrer Gesamtheit eine Basis für sicheres, komfortables und zügiges Arbeiten im Alltag. Die Bundeszahnärztekammer hat zusammen mit dem Deutschen Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin (DAHZ) einen Hygieneplan für die zahnärztliche Praxis vorgelegt, der umfassend über alle Belange informiert.

? Herr Dr. Rickert, der Dentalmarkt wird internationaler, wobei die hiesige Zahnheilkunde nach wie vor an der Spitze steht. Wie helfen uns die vielen Innovationen dabei, diese Position zu halten und auszubauen?

Dr. M. Rickert: Auch hier will ich eines aus der Fülle von Beispielen herausgreifen. Vor einigen Jahren dachten wir, dass sich eine Krone in bestimmten Wettbewerbsregionen grundsätzlich viel günstiger herstellen lasse als hierzulande. Die digitalen Technologien und die flexiblen Möglichkeiten bei der Gestaltung des Wegs von der Abformung zur fertigen Krone haben den Unterschied in den Kostenstrukturen auf ein Minimum schrumpfen lassen. Dank der vielen Innovationen auf diesem Gebiet brauchen wir die Konkurrenz durch Billiganbieter kaum noch zu fürchten.

? Kommen die industriellen Anbieter selbst denn auch vornehmlich aus unserer Region, oder wie stark ist der Rest der Welt inzwischen auf der IDS vertreten?

Dr. M. Rickert: Nach wie vor sind deutsche Unternehmen in Köln am stärksten vertreten. Auf den vorderen Plätzen befinden sich daneben Italien, die USA, die Republik Korea und die Schweiz. Für die gesamte Welt ist der deutschsprachige Dentalmarkt wegen seiner unangefochtenen Spitzenstellung der interessanteste, und so kommen diesmal 65 % der ausstellenden Unternehmen aus dem Ausland.

? Herr Dr. Rickert, wenn Sie uns zum Abschluss noch einen Tipp geben könnten. Was sollten wir auf der kommenden IDS zwischen dem 22. und 26. März 2011 unbedingt beherzigen?

Dr. M. Rickert: Einen Riesenvorteil verschaffen Sie sich durch eine gute Vorausplanung. Das kann der Praxisinhaber selbst übernehmen oder auch eine verantwortliche Assistentin - Hauptsache, man spricht sich gut ab. Denn am besten planen Sie im Team, welche Messehallen und -stände Sie auf jeden Fall ansteuern möchten. Selbstverständlich nehmen Sie als Zahnarzt dann auch gleich alle Praxismitarbeiter nach Köln mit. Es wird über die fachliche Information hinaus garantiert ein Ausflug, der dem Chef wie der Assistenz Spaß macht.

Das Interview führte für die ZWR
Dr. Christian Ehrensberger.

    >