Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P348
DOI: 10.1055/s-0031-1272795

Elektrophysiologische Diagnostik distaler Neuropathien mittels somatosensorisch evozierten Potentialen (SEP) der Nn. plantaris medialis et lateralis und peronaeus profundus: Methodologie und Normwerterstellung.

C. Frischholz 1, B. Liske 1, B.F. Harder 1, A. Melms 1
  • 1Tübingen

Einleitung: Die Ableitung von SEP des N. tibialis ist eine in der klinischen Routine etablierte Methode. Hierbei erfolgt eine elektrische Reizung am distalen Nervenstamm, ähnlich der neurographischen Diagnostik der Nn. tibialis, peronaeus oder suralis. Im frühen Verlauf einer distal symmetrischen Neuropathie bzw. bei weit distal liegendem sensiblem Gradienten zeigt die etablierte Neurophysiologie oftmals einen Normalbefund. Prinzipiell durch sensible orthodrome Neurografie messbar sind die Nn. plantaris medialis et lateralis und peronaeus profundus. Diese Methodik ist teilweise etabliert, stößt jedoch aufgrund untersuchungspraktischer Aspekte und aufgrund mit zunehmendem Alter früh abfallender Potentialamplitude an Grenzen. Die SEP-Diagnostik mit Stimulation der o.g. distalen Nerven ist als prinzipiell möglich beschrieben, aber weder klinisch noch in Form kontrollierter Studien untersucht. Ein wesentlicher Vorteil der SEP ist das meist gut ausgeprägte kortikale Potential aufgrund synaptischer Verstärkereffekte.

Methoden: Es wurden bei freiwilligen gesunden Probanden – ohne klinische oder elektrophysiologische Zeichen einer Neuropathie und bei fehlendem Anhalt einer Hinterstrangläsion im Tibialis-SEP – alters- und körpergrößenabhängige Normwerttabellen der SEP durch Stimulation der Nn. plantaris medialis et lateralis und peronaeus profundus erstellt sowie mit der sensibel-orthodromen Neurografie verglichen. Es wurde die Ausfallswahrscheinlichkeit der SEP sowie der sensiblen Nervenaktionspotentiale (SNAP) abhängig vom Alter des Probanden berechnet. Zudem wurden die durch SEP-Latenzvergleich nach Stimulation der Nn. tibialis und plantaris medialis errechneten Nervenleitgeschwindigkeiten mit der neurographisch ermittelten verglichen. Ferner wurden Wiederholungsmessungen der SEP und sensiblen Neurografien zur Erfassung der Variabilität zweier Messungen durchgeführt.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Ableitung der SEP der Nn. plantaris medialis et lateralis und peronaeus profundus ist technisch einfach, gut reproduzierbar und den sensiblen Neurografien der o.g. Nerven überlegen. Es eröffnet die Perspektive, symmetrische Neuropathien mit weit distalem Gradienten elektrophysiologisch im Sinne einer Frühdiagnostik zu erfassen. Zudem wird die elektrophysiologische Diagnostik lokalisierter Läsionen (z.B. Trauma, Engpasssyndrome) einzelner der distalen sensiblen Nerven möglich, selbst wenn beidseits kein SNAP mehr ableitbar ist.