Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P331
DOI: 10.1055/s-0031-1272778

– Verminderte kortikale somatosensorische Repräsentation des Zeigefingers bei Patienten mit spinobulbärer Muskelatrophie Typ Kennedy: eine Magnetenzephalografie-Studie

S. Suntrup 1, I.K. Teismann 1, O. Steinsträter 1, E.B. Ringelstein 1, C. Pantev 1, R. Dziewas 1
  • 1Münster

Hintergrund und Fragestellung: Das Kennedy-Syndrom stellt sich klinisch als eine progrediente degenerative Erkrankung der peripheren Motorneurone ohne Beeinträchtigung des sensorischen Systems dar. Dennoch wurden in bisherigen elektrophysiologischen Studien abnorme Befunde sensibler Nerven erhoben. Auch histopathologisch ist eine Degeneration sensibler Neurone nachweisbar. Über das Ausmaß der sensorischen Neuropathie und mögliche Einflüsse auf die zentrale Verarbeitung sensibler Afferenzen ist bislang wenig bekannt. In dieser Studie wurde die sensible Beteiligung beim Kennedy-Syndrom erstmalig mittels funktioneller Bildgebung untersucht.

Methoden: Bei sieben Patienten mit genetisch gesichertem Kennedy-Syndrom ohne klinische Symptome einer sensiblen Neuropathie wurde die kortikale Topografie des Zeigefinger-Repräsentationsareals im Vergleich zu sieben altersentsprechenden Kontrollpersonen magnetenzephalographisch untersucht. Verwendet wurde ein etabliertes Stimulationsparadigma des Zeigefingers mit einer pneumatisch getriebenen Ballonmembran. Die Daten wurden mit dem Verfahren der Synthetic Aperture Magnetometry (SAM) ausgewertet. Zusätzlich wurden Latenz und Amplitude der frühesten kortikalen Komponente des somatosensibel evozierten Feldes (SEF) mit einer traditionellen Dipol-Quellenanalyse bestimmt.

Ergebnisse: Bei den Kennedy-Patienten war die Latenz der ersten SEF-Komponente deutlich verzögert (48,6 vs. 37,4ms, p<0,005).

Abb.1

Die Dipol-Quellenamplituden unterschieden sich nicht signifikant, doch die mittels SAM berechnete ereigniskorrelierte Desynchronisation im β-Frequenzband (13–30Hz) des kontralateralen sensomotorischen Kortex (Pseudo-t-Werte –0,107 vs. –0,199, p<0,05) inklusive des Aktivierungsmaximums (53,5%) war in der Patientengruppe signifikant reduziert.

Abb.2

Schlussfolgerung: Das sensible System ist beim Kennedy-Syndrom nachweisbar beeinträchtigt. Auch eine subklinische sensorische Neuropathie führt bei den Patienten zu einer Veränderung auf kortikaler Ebene, die eine funktionelle Reorganisation vermuten lässt. Im Gegensatz zu einer peripheren motorischen Neuropathie, die mit einer adaptiven Vergrößerung entsprechender Hirnareale einhergeht, scheint eine Störung sensorischer Afferenzen beim Kennedy-Syndrom eine Verkleinerung der kortikalen Repräsentation nach sich zu ziehen.