Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P322
DOI: 10.1055/s-0031-1272769

Masseter Reflex-Abnormitäten bei Läsionen rostral des Okulomotoriuskerns

F. Thömke 1, P. Stoeter 1, J. Marx 1
  • 1Mainz

Fragestellung: Abnorme Masseter-Reflex (MassR)-Befunde weisen auf ipsilaterale Hirnstammläsionen zwischen dem Niveau des motorischen Trigeminus- und des Okulomotoriuskerns hin. Es konnte gezeigt werden, dass suprasegmentale Läsionen ohne Einfluss auf den MassR sind, zumindest bei supratentorieller Lokalisation. Durch die Beobachtung einzelner Patienten mit akuten einseitigen meso-dienzephalen Infarkten rostral des Okulomotoriuskerns und ipsi- oder kontraläsionellen MassR-Abnormitäten stellt sich die Frage nach etwaigen suprasegmentalen Einflüssen auf den MassR erneut.

Methoden: Zufällige Beobachtung von 4 Patienten mit MR-tomographisch dokumentierten akuten einseitigen meso-dienzephalen Infarkten mit kontraläsionellen (n=3) oder ipsiläsionellen (n=1) MassR-Abnormitäten. Eine Ausdehnung der Infarkte unterhalb des Niveaus des Nucleus interstitialis (Cajal) war weder MR-tomographisch zu dokumentieren noch klinisch evident.

Ergebnisse: Drei Patienten hatten abnorme MassR-Befunde kontralateral und einer ipsilateral zum MR-tomographisch dokumentierten Infarkt. Bei 2 Patienten war der MassR ausgefallen und bei 2 die Latenz abnorm verlängert. Verlaufsuntersuchungen konnten bei 3 Patienten durchgeführt werden und erbrachten eine Normalisierung (n=2) oder Besserung (n=1).

Schlussfolgerungen: Die Normalisierung oder Besserung abnormer MassR-Befunde im Verlauf weist nachdrücklich auf akute ursächliche Läsionen hin. Eine verminderte oder ausgefallene Erregung von Masseter-Motoneuronen infolge einer Schädigung deszendierender erregender kortiko-bulbärer Projektionen ist wenig wahrscheinlich, da MassR-Latenzen und Amplituden von supratentoriellen Läsionen nicht beeinflusst werden. Alternativ wäre eine gestörte Facilitation zu diskutieren. So konnte tierexperimentell eine MassR-Facilitation nachgewiesen werden, die über eine Projektion von der Amygdala über Interneurone zu kontralateralen Motoneuronen des N. trigeminus vermittelt wird. Sollte solch eine Verbindung auch beim Menschen existieren, könnte sie durch meso-dienzephale Infarkte lädiert werden. Dies könnte über eine Störung der MassR-Facilitation Ursache abnorme MassR-Befunde sein, die bei Schädigung dieser Verbindung vor der Kreuzung kontraläsionell und bei einer Läsion nach der Kreuzung ipsiläsionell wären.