Gangvariabilität ist ein wichtiges Merkmal der Lokomotion, das zeitliche und räumliche
Fluktuationen verschiedener Gangparametern umfasst. Beim Gesunden sind diese Fluktuationen
relativ klein – Variabilitätskoeffizient (CV <5%). Eine erhöhte Gangvariabilität bedeutet
ein erhöhtes Sturzrisiko sowohl bei älteren Menschen als auch bei Patienten mit Gangstörungen
(Hausdorff et al 2009). Die zerebelläre Verarbeitung sensorischer Informationen scheint
eine zentrale Rolle in der Regulation von Gangvariabilität zu spielen. Dabei konnte
gezeigt werden, dass sensorische Informationen geschwindigkeitsabhängig in das Lokomotionszentrum
integriert werden. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss verschiedener Ganggeschwindigkeiten
auf die Gangvariabilität im Gesunden und in Patienten mit cerebellärer Ataxie (CA)
zu untersuchen.
Bei 34 Patienten mit CA und 47 gesunden Probanden wurde eine Ganganalyse mittels einem
GAITRite® System über das gesamte Geschwindigkeitsspektrum (selbstgewählt, langsam,
maximal) durchgeführt.
Für jeden Gang wurde der Variabilitätskoeffizient (CV=SD*100/mean in%) ausgerechnet.
Mittels polynomischer Näherung wurde bei den definierten Geschwindigkeiten von 50cm/s,
120cm/s und 180cm/s individuelle CV-Werte errechnet. Die Ergebnisse wurden univariat
mittels Anova und posthoc Bonferroni auf Signifikanz geprüft (p<0,05). Alle Patienten
wurden neurologisch untersucht. Die Schwere der cerebellären Ataxie wurde mit dem
Scale of assessment and rating of ataxia (SARA) und die Mobilität – mit dem Functional
gait assessment -Test (FGA) beurteilt.
Im Vergleich zu den gesunden Probanden, konnte im Patientenkollektiv eine erhöhte
Gangvariabilität beobachtet werden. Der CV war signifikant erhöht beim langsamen (10,4±6,6%,
p<0,001) und beim schnellen Gehen (12,7±5,8%, p<0,001), blieb aber normal während
dem Gang mit selbstgewählter Geschwindigkeit. Zusätzlich konnte man feststellen dass
die selbstgewählte Geschwindigkeit der Patienten wenig reduziert war. Die Ratio der
selbstgewählten zur maximalen Geschwindigkeit war jedoch größer als bei den gesunden
Probanden.
Patienten mit cerebellärer Ataxie zeigen signifikant erhöhte Gangvariabilität während
langsamen und während schnellen Gehens, nicht jedoch beim Gehen mit selbstgewählter
Geschwindigkeit. Daher ist eine Ganganalyse mit Berechnung der Variabilität bei diesen
Patienten nur sinnvoll, wenn die Probanden über das komplette Geschwindikeitsspektrum
untersucht werden.