Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P320
DOI: 10.1055/s-0031-1272767

Geschwindigkeitsabhängige Gangvariabilität in Patienten mit cerebellärer Ataxie

M. Kamenova 1, R. Schniepp 1, M. Wühr 1, M. Neuhaeusser 1, K. Dimitriadis 1, T. Klopstock 1, M. Strupp 1, T. Brandt 1, K. Jahn 1
  • 1München

Gangvariabilität ist ein wichtiges Merkmal der Lokomotion, das zeitliche und räumliche Fluktuationen verschiedener Gangparametern umfasst. Beim Gesunden sind diese Fluktuationen relativ klein – Variabilitätskoeffizient (CV <5%). Eine erhöhte Gangvariabilität bedeutet ein erhöhtes Sturzrisiko sowohl bei älteren Menschen als auch bei Patienten mit Gangstörungen (Hausdorff et al 2009). Die zerebelläre Verarbeitung sensorischer Informationen scheint eine zentrale Rolle in der Regulation von Gangvariabilität zu spielen. Dabei konnte gezeigt werden, dass sensorische Informationen geschwindigkeitsabhängig in das Lokomotionszentrum integriert werden. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss verschiedener Ganggeschwindigkeiten auf die Gangvariabilität im Gesunden und in Patienten mit cerebellärer Ataxie (CA) zu untersuchen.

Bei 34 Patienten mit CA und 47 gesunden Probanden wurde eine Ganganalyse mittels einem GAITRite® System über das gesamte Geschwindigkeitsspektrum (selbstgewählt, langsam, maximal) durchgeführt.

Für jeden Gang wurde der Variabilitätskoeffizient (CV=SD*100/mean in%) ausgerechnet. Mittels polynomischer Näherung wurde bei den definierten Geschwindigkeiten von 50cm/s, 120cm/s und 180cm/s individuelle CV-Werte errechnet. Die Ergebnisse wurden univariat mittels Anova und posthoc Bonferroni auf Signifikanz geprüft (p<0,05). Alle Patienten wurden neurologisch untersucht. Die Schwere der cerebellären Ataxie wurde mit dem Scale of assessment and rating of ataxia (SARA) und die Mobilität – mit dem Functional gait assessment -Test (FGA) beurteilt.

Im Vergleich zu den gesunden Probanden, konnte im Patientenkollektiv eine erhöhte Gangvariabilität beobachtet werden. Der CV war signifikant erhöht beim langsamen (10,4±6,6%, p<0,001) und beim schnellen Gehen (12,7±5,8%, p<0,001), blieb aber normal während dem Gang mit selbstgewählter Geschwindigkeit. Zusätzlich konnte man feststellen dass die selbstgewählte Geschwindigkeit der Patienten wenig reduziert war. Die Ratio der selbstgewählten zur maximalen Geschwindigkeit war jedoch größer als bei den gesunden Probanden.

Patienten mit cerebellärer Ataxie zeigen signifikant erhöhte Gangvariabilität während langsamen und während schnellen Gehens, nicht jedoch beim Gehen mit selbstgewählter Geschwindigkeit. Daher ist eine Ganganalyse mit Berechnung der Variabilität bei diesen Patienten nur sinnvoll, wenn die Probanden über das komplette Geschwindikeitsspektrum untersucht werden.