Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P296
DOI: 10.1055/s-0031-1272743

Virtuelle Realität (VR) in der Neurorehabilitation: Evaluation eines 360° VR Supermarkts für das Training kognitiver Leistungen in einem virtuellen Supermarkt

Y. Coskun 1, I. Hohnemann 1, E. Dyck 1, D. Flentge 1, M. Piefke 1
  • 1Bielefeld

Da der Alltagstransfer neuropsychologischer Rehabilitationsmaßnahmen häufig Schwierigkeiten bereitet, werden Techniken der Virtuellen Realität (VR) entwickelt, um alltagsnahe Szenarien für die Neurorehabilitation zu schaffen. Es wurden gute Trainingseffekte von VR Szenarien aus klinischen und technischen Studien berichtet, deren experimentelle Kontrolle jedoch nicht hinreichend (Rose et al. 2005) war. Wir haben eine 360° VR Technologie in einer experimentell kontrollierten Studie über Lern- und Gedächtnisleistungen in einem alltagsnahen virtuellen Supermarkt an gesunden Probanden evaluiert. Wir erwarteten gute kognitive Trainingseffekte dieser Technologie bei der nicht-klinischen Stichprobe, und dass die Manipulation der Verfügbarkeit einer Einkaufsliste zu signifikanten Unterschieden in den kognitiven Zielleistungen führt.

30 Probanden (Männer: n=15, 24,2 + 4J.) Frauen: n=23,9 + 6J.) kauften in einem virtuellen Supermarkt ein, der als eine 360° VR auf einem Ring aus 8 PC Monitoren präsentiert wurde. Sie saßen auf einem Drehstuhl in der Mitte des Monitor-Rings und interagierten mit der VR durch Stuhldrehung und mittels einer kabellosen Tastatur.

Die Probanden lernten in 3 Durchgängen (DG) das Einkaufen von 20 nach 4 semantischen Kategorien gruppierten Zielprodukten. Darauf folgte das Einkaufen von 20 neuen Distraktorprodukten. Anschließend sollten die Probanden noch einmal die 20 Zielprodukte einkaufen. Der Hälfte der Probanden stand beim Einkaufen die Einkaufsliste zur Verfügung (Bedingung mEKL), der anderen Hälfte wurde die Liste vor jedem Einkauf vorgelesen, war aber während des Einkaufs nicht verfügbar (Bedingung oEKL). Um zu untersuchen, ob die Versuchspersonen nach semantischen Kategorien gruppiert einkaufen, wurde der semantische Clusterwert (SemC) berechnet.

In der oEKL Bedingung zeigte sich ein signifikanter Trainingseffekt (p<0,05) in den ersten drei DG für die Anzahl der gekauften Produkte, die benötigte Einkaufszeit, die Länge der Wegstrecken und den SemC. Die mEKL Probanden kauften die Produkte bereits im ersten DG semantisch gruppiert und hatten entsprechend hohe SemC Werte, während die oEKL Gruppe das semantische Clustern im Verlauf der drei Lern-DG als Strategie lernte und eine signifikante Steigerung des SemC über die 3 DG hinweg zeigten (p<0,05).

Die Ergebnisse zeigen einen generellen Erfolg des 360° VR-Trainings und eine hohe Modulierbarkeit kognitiver Leistungen durch die Manipulation der Verfügbarkeit einer Einkaufsliste.