Klinische Neurophysiologie 2011; 42 - P269
DOI: 10.1055/s-0031-1272716

Koordinative Gangstörung bei Migräne-Patienten

L. Timm 1, H. Stolze 1, G. Deuschl 1
  • 1Kiel

Obwohl die Migräne gemäß der Klassifikation der International Headache Society eine der häufigsten primären Kopfschmerzerkrankungen ist, konnte die Pathophysiologie und Ätiologie bis heute nicht hinreichend ermittelt werden. Die Störung von Calciumkanälen auf zellulärer Ebene, ähnlich wie bei hereditären Kleinhirnerkrankungen scheint hier jedoch eine Rolle zu spielen. In Anlehnung an genetische und klinische Studien zur cerebellären Beteiligung bei der Migräne-Erkrankung erfolgte eine standardisierte Ganganalyse bei Migräne-Patienten mit und ohne Aura (n=29) im attackenfeien Intervall, sowie bei gesunden Probanden einer Kontrollgruppe (n=19). Die Analyse erfolgte einerseits mithilfe eines von Trouillas et al. 1997 entwickelten Ataxie-Score's sowie andererseits mit einer standardisierten Ganganalyse mittels Infrarot-Kamera-Messung (ProReflex® System) auf einem Laufband im Seiltänzergang. Dabei erzielten die Migräne-Patienten signifikant schlechtere koordinative Ergebnisse gegenüber den gesunden Probanden mit mehr Fehltritten pro Minute, einer niedrigeren Schritthöhe sowie einer signifikant höheren Abweichung von der optimalen Wegstrecke. Die Migräne-Patienten mit Aura erzielten dabei im Mittel schlechtere Resultate als diejenigen ohne Aura. Vergleichbare Ergebnisse erbrachten die Publikationen von Sandor et al. 2001 und Harno et al. 2003 für Ziel-Greif-Bewegungen der oberen Extremität. Im retrospektiven Vergleich der Ergebnisse mit identisch durchgeführten Ganganalysen bei cerebellär erkrankten Patienten (n=8) erzielen diese deutlich schlechtere koordinative Ergebnisse als die gesunden Probanden. Die Unterschiede zu den Migräne-Patienten fallen jedoch deutlich geringer aus. Des Weiteren konnten signifikante Korrelationen zwischen der Ausprägung der koordinativen Defizite und der Erkrankungsdauer, Attackendauer, Attackenfrequenz sowie der Intensität der Migräne-Erkrankung ermittelt werden.

In Zusammenschau der Ergebnisse ergaben sich folglich weitere Hinweise für eine cerebelläre Mitbeteiligung an der Pathophysiologie der Migräne-Erkrankung.