Diabetologie und Stoffwechsel 2011; 6(4): 41-52
DOI: 10.1055/s-0031-1271559
DuS-Refresher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Rationale und rationelle Insulintherapie für Patienten mit Typ-1-Diabetes (auf Basis der S3-Leitlinie 2011)

B. O. Böhm1
  • 1Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Innere Medizin I, Schwerpunkt Endokrinologie
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 August 2011 (online)

Einleitung

Das Therapieziel bei Typ-1-Diabetes ist es, diabetesbedingte Minderungen der Lebensqualität zu vermeiden. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es einer Therapieform, die das Risiko für schwere akute Stoffwechselentgleisungen (schwere Hypoglykämien und / oder schwere Hyperglykämien mit Ketoazidose oder Coma diabeticum) senkt sowie zudem das Risiko für die chronischen Folgekomplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, Makroangiopathie) ­reduziert. 

Die amerikanische DCC-Studie [1] ist die größte randomisierte kontrollierte Studie (RCT; n = 1441), die gezeigt hat, dass eine intensivierte Insulintherapie und entsprechend strukturierte Betreuung der Patienten [2] im Vergleich zu einer konventionellen Insulintherapie zu einer stärkeren Senkung des HbA1c-Wertes führt. Außerdem zeigt die Studie, dass mit der Senkung der HbA1c-Werte in den Bereich von 7 % (vs. 9 % in der Kontrollgruppe) das Risiko, an diabetesbedingten mikroangio­pathischen (Retinopathie, Nephropathie) und neuropathischen Folgekomplikationen zu erkranken, signifikant reduziert wird. Die Reanalyse der DCC-Studiendaten zeigte zudem, dass eine klare Abhängigkeit der Risikoreduktion vom erreichten HbA1c-Wert besteht [3]. Somit ist eine Definition und Kontrolle der unmittelbaren Therapieziele des Typ-1-Diabetes über den HbA1c-Wert als Surrogatparameter eines geringeren Risikos für diabetesbedingte mikroangiopathische und neuropathische Folgekomplikationen möglich. 

Vor diesem Hintergrund überrascht es daher nicht, dass sich die intensivierte Insulintherapie

In Mitteleuropa ist die intensi­vierte Insulintherapie mittler­weile die Standardtherapie des Typ-1-Diabetes.

(ICT) als Standardtherapie des Typ-1-Diabetes in Mitteleuropa durchgesetzt hat. In Deutschland werden heute mehr als 90 % aller Typ-1-Diabetiker intensiviert therapiert. Die Ergebnisse der DCC-Studie und einer Vielzahl weiterer klinischer Prüfungen bilden zudem die Grundlage für die strukturierten Versorgungsprogramme für Menschen mit einem Typ-1-Diabetes (DMP Diabetes mellitus Typ 1). 

Eine strukturierte Diabetes-Therapie basiert wesentlich auf der Schulung der Betroffenen

Die Schulung der Patienten ist ein entscheidender Bestandteil einer erfolgreichen Diabetes-Therapie.

, wie bereits in der DCC-Studie überzeugend nachgewiesen wurde [2]. In der Basis- bzw. Grundschulung, die zeitnah nach der Diabetes-Manifestation oder bei Therapieumstellung erfolgen sollte, werden grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten der jeweiligen Therapie vermittelt. Problemspezifische Schulungen sind dagegen für einzelne Problemsituationen (z. B. Hypoglykämien, Auftreten von Folgeerkrankungen und Komorbiditäten) konzipiert. Ferner können Wieder­holungsschulungen bei Umsetzungsschwierigkeiten der Therapie im weiteren Krankheitsverlauf zum Einsatz kommen. 

Die folgende Darstellung der rationalen und rationellen Insulintherapie für Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus basiert wesentlich auf der aktuellen S3-Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ der Deutschen Diabetes-Gesellschaft [4]. 

Literatur

  • 1 The Diabetes Control and Complications Trial Research Group . The effect of intensive treatment of diabetes on the development and progression of long-term complications in insulin dependent diabetes mellitus.  N Engl J Med. 1993;  329 977-986
  • 2 DCCT Research Group . Implementation of conventional and intensive treatment in the Diabetes Control and Complications Trial.  Diabetes Care. 1995;  18 361-376
  • 3 Lachin J M, Genuth S, Nathan D M DCCT / EDIC Research Group et al. Effect of glycemic exposure on the risk of microvascular complications in the diabetes control and complications trial – revisited.  Diabetes. 2008;  57 995-1001
  • 4 Böhm B O, Dreyer M, Fritsche A et al. Therapie des Typ-1-Diabetes. S3-Leitlinie Version 1.0 vom 10.02.2011
  • 5 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen .Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1. IQWiG-Berichte 2007 Nr. 22 http://https://www.iqwig.de/download/A05–02_Abschlussbericht_Kurzwirksame_Insulinanaloga_bei_Diabetes_mellitus_Typ_1.pdf
  • 6 Hien P, Boehm B. Diabetes Handbuch.. 6. Aufl. Heidelberg: Springer; 2010
  • 7 Vardi M, Jacobson E, Nini A et al. Intermediate acting versus long acting insulin for type 1 diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2008 3 CD006297 DOI: 10.1002/14651858.CD006297.pub2
  • 8 Siebenhofer A, Plank J, Berghold A et al. Short acting insulin analogues versus regular human insulin in ­patients with diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2006 2 CD003287 DOI: 10.1002/14651 58.CD003287.pub4
  • 9 Bretzel R G. Behandlung mit Insulin.. In: Häring H-U, Gallwitz B, Müller-Wieland D, Usadel K-H, Mehnert H, Hrsg Diabetologie in Klinik und Praxis.. 6. Aufl. Stuttgart: Stuttgart; 2011: 192-211
  • 10 Misso M L, Egberts K J, Page M et al. Continuous subcutaneous insulin infusion (CSII) versus multiple insulin injections for type 1 diabetes mellitus. Cochrane Database Syst Rev 2010 1 CD005103 DOI: 10.1002/14651858.CD005103.pub2

Prof. Dr. B. O. Böhm

Universitätsklinikum Ulm · Klinik für Innere Medizin I · Schwerpunkt Endokrinologie

Albert-Einstein-Allee 23

89081 Ulm

Email: bernhard.boehm@uniklinik-ulm.de