Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2011; 8(2): 100
DOI: 10.1055/s-0031-1271516
Der senologische Auftrag zwischen politischer Realität und wissenschaftlichem Fortschritt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Gutartige Brustveränderungen in Schwangerschaft und Stillzeit

K. Vetter
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Publication Date:
17 June 2011 (online)

Zahlreiche Brustveränderungen in der Schwangerschaft und postpartal beunruhigen die Patientin und müssen gelegentlich einer Therapie zugeführt werden. Eine Differenzialdiagnose zum Ausschluss maligner Prozesse sollte mit Sorgfalt und Augenmaß herbeigeführt werden. 

Der bunte Reigen von Veränderungen der Brustdrüsen im Verlauf einer Schwangerschaft wird kurz nach der Konzeption eröffnet durch eine sehr unterschiedlich ausgeprägte, aber doch gewöhnlich deutliche – als unsicheres Schwangerschaftszeichen nutz­bare – Vergrößerung der Brüste durch die in der Schwangerschaft schon von Anfang an erhöhten Steroidhormone mit Wirkung auf das Brustwachstum. 

In diesem Zusammenhang wird auch akzessorisches Brustdrü­sengewebe stimuliert, und entsprechend werden die versprengten Brustdrüsengewebeteile bemerkbar und vielleicht auch als störend wahrgenommen. Insbesondere können axilläre Brustdrüsenanteile als irritierend imponieren; und der unerfahrene Unter­sucher mag geneigt sein, dies als tumoröse Veränderung für abklärungswürdig zu halten. 

Wenngleich eine gewisse Vergrößerung der Brust von einigen Frauen als nicht unangenehm empfunden wird, ändert sich dies mit einiger Sicherheit in Fällen von Makromastie oder gar Gigantomastie. Hier übersteigen die Brüste die Größe jeglicher unterstützender Büstenhalter (BH), und es bedarf zu Beginn der Suche nach Spezialläden bzw. Herstellern, am Ende aber sogar der Sonderanfertigung von BHs. Eine kausale Therapie gibt es nicht. Glücklicherweise kommt es gewöhnlich zu einer Spontanregression; nicht selten ist eine plastische Operation vonnöten. 

Eine außerhalb der Schwangerschaft irritierende Galaktorrhoe ist besonders in der Spätschwangerschaft recht häufig. Eine kausale Therapie gibt es nicht. Vorschläge aus dem Selbsthilfe-Repertoire reichen von der Verwendung von Stilleinlagen bis hin zum Entleeren auf verschiedenste Weisen, vom Abpumpen bis hin zum Abtrinken. Ein Zusammenhang zwischen Galaktorrhe und späterem Stillerfolg existiert nicht. 

Im Zusammenhang mit der Milchproduktion kann sich auch schon während der Schwangerschaft eine Galaktozele entwickeln, ebenso wie ein Laktationsadenom. 

Wenn auch nicht häufig, so kann in der Schwangerschaft eine nonpuerperale Mastitis auftreten, die je nach individuellem Befund zu behandeln ist. 

Die puerperale Mastitis – häufig irrtümlich als Folge mangelnder Hygiene angesehen – stellt das häufigste therapierelevante Pro­blem dar. Während die Stauungsmastitis wieder als konservativ zu behandelnde Entität angesehen wird, gibt es kontroverse Diskussionen über die Behandlung entzündlicher und infektiöser Brusterkrankungen inklusive Brustabszessen im Wochenbett. Entscheidend für ein befriedigendes Endergebnis ist eine rechtzeitige Therapie. 

Andere Brusterkrankungen treten bei Schwangeren in ähnlicher Häufigkeit auf wie außerhalb der Schwangerschaft. Sie sollen hier nicht einzeln aufgeführt werden. Grundsätzlich ist aber jeder palpable Befund abzuklären. 

Insgesamt ist zu sagen, dass Frauen auf die Veränderungen ihrer Brüste individuell schwer vorbereitet werden können, da ganz unterschiedliche Entwicklungen möglich sind, genauso wie es mit den Vorstellungen und Wünschen zum Körperbild und seinen Veränderungen möglich ist. 

Gewöhnlich werden Ärzte erst hinzugezogen, wenn Veränderungen als störend, krankhaft oder gar beängstigend wahrgenommen werden. Hier kann im Normalfall mit dem notwendigen Fachwissen zu einer Deeskalation beigetragen werden, was in der Spannungslage von Schwangerschaft und Stillzeit ausgesprochen wichtig ist. 

Prof. Dr. med. K. Vetter

Ärztlicher Direktor des Perinatalzentrums· Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln

Rudower Str. 48

12351 Berlin

Email: klaus.vetter@vivantes.de

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