Gesundheitswesen 2011; 73(2): 63-66
DOI: 10.1055/s-0030-1270489
Festvortrag

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Der Öffentliche Gesundheitsdienst im Wandel” – Festvortrag zur Eröffnung des Kongresses in Hamburg

Public Health-Care Services − Changing with Time Opening Lecture at the Hamburg CongressF.-U. Montgomery
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Publication Date:
03 March 2011 (online)

Sie haben mich gebeten, Ihnen einen Festvortrag zu halten. Das Generalthema Ihres Kongresses lautet: Der „Öffentliche Gesundheitsdienst im Wandel”. Es soll das alte „Panta rhei” – alles ist im Fluss – aufgreifen und eigentlich die positive Botschaft vermitteln, dass im Wandel immer ein Neuanfang und eine Chance liegen. Dabei ist mir eines klar: Es hieße sicher Eulen nach Athen tragen, würde ich mir hier anmaßen, Ihnen etwas über den rasanten Wandel des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu erzählen.

Wer, wenn nicht Sie, könnte plastisch und aus eigenem Erleben diese Veränderungen beschreiben.

Aber, lassen Sie mich eingangs noch sagen, mir ist eigentlich gar nicht nach einem „Festvortrag” zu Mute. Festvortrag klingt nach geistigsittlicher Erbauung und schönen Worten. Ich aber will von der Beschreibung der Situation her nicht erbauen, sondern Probleme ansprechen, Lösungen diskutieren, den Diskurs voran bringen.

Und so kann ich nicht umhin, vor der Befassung mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst auch die drängendsten Probleme von heute anzusprechen. Und Sie werden dabei erkennen: auch wenn diese Probleme noch nicht den ÖGD erkennbar betreffen, sie werden es in kurzer Zeit mit Sicherheit tun.

Ich meine die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die Bankenkrise und ihrer Bewältigung und schließlich den drohenden Staatsbankrott dreier Länder aus der EURO-Zone. Ich will Ihnen dabei keinen wirtschaftstheoretischen Vortrag über die Hintergründe oder die fiskalischen Lösungen halten – das könnte ich auch gar nicht. Ich bin nur der festen Überzeugung, das alles wird auch Auswirkungen auf uns haben. Auf Sie – auf mich, auf unser soziales Gemeinwesen.

Wir alle befassen uns mit der „letzten Wiese” der Gesellschaft. Den Kranken, den Armen, den Fremden. Wir stellen als Ärzte dabei nicht die Frage nach der Schuld für Armut oder Krankheit. Unsere Aufgabe ist es, dem Menschen, der vor uns steht oder liegt zu helfen. Und da stellen wir fassungslos fest, dass wir in unserer Gesellschaft, die doch so von Reichtum, Überfluss und Verschwendung geprägt ist, längst eine Debatte über Priorisierung, Rationierung und Rationalisierung führen müssen, während zeitgleich unvorstellbare Summen in den Erhalt betrügerisch marode gemachter Banken gepumpt werden. Schlimmer noch, das Fälschen staatlicher Bilanzen scheint zu einem Kavaliersdelikt zu werden, dessen Folgen für die Betrüger nicht einmal annäherungsweise zu vergleichen sind mit den Folgen des Absturzes eines in seinen besten Jahren stehenden mittleren Verwaltungsangestellten in die Wirklichkeit von „Hartz4”.

Wir scheinen vollkommen die Proportionen verloren zu haben. Wir reden uns und den Menschen ein, dieses Leben auf Pump könnte immer so weitergehen. Wir stellen ungedeckte Wechsel auf die Zukunft unserer Kinder aus. Und gleichzeitig scheuen wir uns, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Die Demonstrationen der Bürger in Griechenland sind beredtes Beispiel dafür. Man meint, den Staatsbankrott mit öffentlichem Boykott abwenden zu können – dabei macht man damit alles nur noch schlimmer.

Aber wie sollen Menschen das auch erkennen, denen man einredet, alles könne so weiter gehen, die sehen, wie sich andere ungeniert bedienen und deren Ahnungslosigkeit von der Politik dann noch mit fragwürdigen Versprechungen gefüttert wird.

Meine Damen und Herren, der eine oder andere tut ja so, also hätten wir diese Krise schon überwunden. Ich glaube das ist falsch. Die wahre Krise ist noch überhaupt nicht bei uns angekommen. Wenn die aber ankommt, wird sie auch bei uns zu Arbeitslosigkeit, Verarmung und menschlichem Leid führen. Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sind wir dran. Dann werden wir gefordert sein. Und zwar im traditionellen kurativen System genauso wie im Öffentlichen Gesundheitsdienst.

Und damit bin ich dann beim Thema:

ÖGD und Wandel

Korrespondenzadresse

Dr. F.-U. Montgomery

Präsident der Ärztekammer

Hamburg

Humboldtstraße 56

22083 Hamburg

Email: praesident@aekhh.de

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