Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(6): 263
DOI: 10.1055/s-0030-1270229
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Schwangere differenziert beraten

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Publication Date:
13 December 2010 (online)

 

Schwangerschaft und Stillzeit sind emotionale Themen: Vor allem natürlich für die angehenden Eltern. Aber auch das soziale Umfeld bis hin zum Mitreisenden in derselben Sitzreihe des Flugzeuges äußern sich gerne, wenn eine sichtbar schwangere Frau auf Reisen geht. Vielleicht mit dem Unterton der Entrüstung ("besser ist Sylt"), der Besorgnis ("zu anstrengend"), Zustimmung ("was die sich traut") oder auch der Herablassung ("Schwangerschaft ist doch keine Krankheit").

Zum Thema "Mutterschutz am Arbeitsplatz" gibt es gesetzliche Regelungen, die Orientierung bieten, ob man diese nun im Detail sinnvoll findet oder nicht. In der Reisemedizin dagegen liegt der "Mutterschutz" in der alleinigen Verantwortung der Mutter. Diese ist durch viele Ratschläge oft einigermaßen verunsichert. Das Schwerpunktheft "Schwangerschaft und Reisen" bietet für die differenzierte Beratung in dieser Situation hervorragende Hinweise:

Dr. Susi Kriemler hat die zumeist anekdotischen Erfahrungen zu Schwangerschaft und Höhenmedizin zusammengetragen. Die "Centers for Disease Control" ("CDC Health Information for International Travel 2009") empfehlen, dass Schwangere Höhen über 12 000 Fuß (3658 Meter) vermeiden sollten.

Dr. Claudia Stern beleuchtet die Frage der "Flugtauglichkeit" von Schwangeren und verneint die oft gestellte Frage eines Risikos für den Embryo durch kosmische Strahlen. Sowohl bei Flug- als auch Schiffsreisen sollte der beratende Arzt über die Firmenpolitik des Reiseanbieters zur Mitnahme Schwangerer informiert sein, sonst kann die Reise bereits am Flughafen oder am Kreuzfahrtterminal beendet sein. Dr. Tim Lammerding geht darauf ein, welche Schiffsreisen für Schwangere geeignet sind und empfiehlt insbesondere, bei der Schiffswahl die Seekrankheit zu berücksichtigen.

Bei der Auswahl von Reiseimpfungen in der Schwangerschaft muss, wie Dr. Jakob Cramer und Dr. Gertrud Helling-Giese differenziert darstellen, den oft nicht ausreichend bekannten Risiken einer Impfung eine Einschätzung des Erkrankungsrisikos unter den jeweiligen Reisebedingungen gegenübergestellt werden. Ähnliches gilt auch für die Malariaprophylaxe. Dr. Hinrich Sudeck gibt darüber hinaus klar strukturierte Empfehlung zur Malariaprophylaxe in der Stillzeit.

Die Mutter-Kind-Gesundheit ist eine gesellschaftliche Aufgabe und notwendiger Fokus staatlichen Handelns. Die Mutter-Kind-Sterblichkeit ist der wichtigste Indikator für die Entwicklung und die öffentliche Gesundheit eines Landes. Nicht überraschend ist die Müttersterblichkeit ein vorrangiges Problem der Entwicklungsländer, dort treten 99 % aller Todesfälle bei Müttern um die Geburt auf.

Auch in Deutschland gibt es gesellschaftliche Gruppen, bei denen Schwangerschaften mit erhöhten Risiken für Kind und Mutter einhergehen. Mit Ausnahme der Migranten, die Angehörige besuchen oder von chronisch kranken Schwangeren, sind dies nur selten die Schwangeren, die in reisemedizinischer Beratung sind. Trotzdem ist es richtig und gut, dass sich auch die Fachgesellschaften der FTR mit diesen spezifischen Fragestellungen beschäftigen.

Ich wünsche mir, dass dieses Heft dazu beiträgt, Schwangere kundig zu beraten und auf Risiken hinzuweisen, ohne die individuellen Entscheidungen von Frauen zu verurteilen. In diesem Rahmen kann der Arzt durchaus hinterfragen, ob die 2-tägige Geschäftsreise der Managerin in der 32. Schwangerschaftswoche nach New York nicht an die Kollegin delegiert werden kann, umgekehrt kann die erstmals Schwangere im 5. Monat ermutigt werden, die lange geplante Kreuzfahrt mit ihrem Mann zu unternehmen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Freude beim Lesen dieses interessanten Heftes, das unter der Federführung von Prof. Gerd-Dieter Burchard von der DTG sachkundig zusammengestellt wurde.

Dr. Clara Schlaich, Hamburg

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