Derzeit bestehen folgende Trends in der Versorgung: 1. Sicherstellung der Gesundheitsversorgung
wird Topthema; 2. Die Verzahnung ambulant-stationär wird für beide Seiten notwendig;
3. Annäherung der Kulturen „als Voraussetzung für Erfolg“ sowie 4. Beobachtung der
Patientensteuerung durch Krankenkassen mit konsekutiver Zunahme von Direktverträgen
und Zusatzversicherungen. Politisch werden durch die neue Bundesregierung verschiedene
Ansätze ins Gespräch gebracht, die allerdings noch nicht sofort zielführend sein müssen,
wie etwa der Vorschlag vom 28. April 2010 durch den Gesundheitsminister: Arztpraxen
werden nicht neu besetzt. Die demographische Entwicklung der Ärzteschaft zeichnet
sich derzeit durch einen Nachwuchsmangel aus, was letztendlich zu einem Praxiswertverfall
führen kann und zu einer gebietsweisen Unterversorgung führen wird. In der Literatur
sind harte Fakten bekannt: 41.000 Ärzte werden in den kommenden 5 Jahren in den Ruhestand
gehen, davon über 34.000 Kollegen und Kolleginnen aus dem ambulanten Bereich. Das
Durchschnittsalter der Vertragsärzte lag 1993 noch bei 46,6 Jahren, 2006 betrug es
schon 51,1 Jahre. Die Zahl der berufstätigen Ärzte und Ärztinnen im Alter von 60 Jahren
und darüber verdoppelte sich fast von 6,7% (1993) auf 12% (2005). Auch verschärfte
sich das Problem der Alterstruktur und des Nachwuchsmangels durch Auswanderung, denn
in den letzten 6 Jahren sind etwa 13.000 Ärzte ins Ausland gegangen (mit steigender
Tendenz), wobei hierbei geregelte Arbeitszeiten, bessere Vergütungen, bessere familienpolitische
und soziale Versorgung vor allem für Ärztinnen im Vordergrund steht. Ca. 2600 Ärztinnen
und Ärzte wanderten allein im Jahr 2006 aus, was einem plus von 14% im Vergleich zu
2005 bedeutete. Wichtig ist, das von 11.660 Erstsemestern im Jahre 1997, dann im Jahre
2003 nur noch 6802 ihr AIP angetreten haben, was wiederum einen Verlust von 41,6%
bedeutete. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Diskussion um die Schließung von
Krankenhäusern bei gleichzeitigem Wachstumskurs von privaten Gesundheitszentren. Die
Entwicklung der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist sehr unterschiedlich, speziell
was Ballungsgebiete und ländliche Gebiete betrifft. Deswegen besteht Handlungsbedarf.
Die Perspektive stationärer Einrichtungen:
-
Nachwuchsmangel bedroht Einrichtungen, zumindest aber Abteilungen
-
Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen (zum Überleben notwendig in Ballungsräumen
mit hohem Wettbewerb)
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Verlust der Attraktivität einer Kommune im ländlichen Bereich, wenn kein Angebot der
stationären Versorgung vorhanden ist.
Daraus resultiert eine erhöhte Bereitschaft zur Kooperation. Die Perspektive ambulanter
Praxen stellt sich folgendermaßen dar:
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Nachwuchsmangel bedroht Praxis und Praxiswert
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Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen und Kooperationen (zum Überleben notwendig
in Ballungsräumen mit hohem Wettbewerb)
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Verlust der stationären Versorgung im ländlichen Bereich führt zum Attraktivitätsverlust
für Nachfolger und damit zum Wertverfall der Praxis.
Auch dies erhöht die Bereitschaft zur Kooperation.
Es gibt folgende Kooperationsmöglichkeiten im ambulant-stationär Setting:
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Belegarzt, Konsiliararzt bzw. Kooperationsarzt
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Medizinische Versorgungszentren
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Kooperation Krankenhaus – Praxis
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Teilzulassung von Krankenhaus-Ärzten
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§116 SGB V – Zulassung für Krankenhäuser und 6. Direktverträge
I. Belegarzt/Konsiliararzt/Kooperationsarzt:
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Der Belegarzt kann ambulant und stationär tätig werden
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Der Konsiliararzt wird stationär und auf Anforderung tätig
-
Das Modell des Kopperationsarztes ist noch in Diskussion
Hier erfolgt die Erbringung stationärer Leistungen durch einen ambulant tätigen Arzt
auf Honorarbasis. Problematisch erscheint dies, wenn Leistungen primär durch Kooperationsarzt
erbracht wird. Allerdings erscheint die Notwendigkeit solcher Kooperationsärzte sehr
wahrscheinlich.
II. Eigenes ambulantes Angebot durch ein Krankenhaus-MVZ: Hier entstehen „Themen-MVZ“ mit Spezialisierung im Vordergrund wie zum Beispiel Diabeteszentren,
Demenzzentren, Rückenzentren oder zukünftig auch „Zielgruppen-MVZ“ für Frauen, Männer
oder Senioren. Die MVZ müssen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zur bestehenden
ambulanten Versorgung verstanden werden.
Vitale Erfolgsfaktoren für MVZ sind die Einbindung der Zuweiser, aber auch die interne
Optimierung von Incentivierungsmodellen, Bonus/Erlebnisbeteiligung oder Gesellschaftsanteilen,
da die motivationsbildenden Maßnahmen nicht unterschätzt werden dürfen. Die Vernetzung
zwischen Einrichtung des Krankenhauses aber auch Praxen und MVZ ist in jeder Richtung
offen. Für die derzeit bestehenden MVZ gilt Bestandschutz, weil derzeit der Eindruck
entsteht, dass die aktuelle Bunderregierung keine Krankenhaus-MVZ wünscht. Eine Zulassung
von MVZ erfolgt nur, wenn dieses mehrheitlich von Ärzten als Gesellschafter gehalten
und von Ärzten geführt wird. Ein Krankenhaus-MVZ wird nur zugelassen im Falle einer
Unterversorgung und wenn sonst keine ärztlichen Interessenten zur Verfügung stehen.
III. Kooperation zwischen Krankenhaus und Praxis: Dieses interessante Modell ermöglicht es sowohl Krankenhäusern als auch Praxen räumliche
und personelle Kapazitäten selbst bei geringer Investitionsbereitschaft für einen
neuen Standort aber bei Expansionsbereitschaft zu mobilisieren. Das Angebot stationärer
und ambulanter Leistungen wird aufrecht erhalten. Eigene Ein- und Zuweisungen sind
möglich. Die Auslastung sowie Nutzung räumlicher und personeller Überkapazitäten wird
optimiert. Für Praxisinhaber sind keine Investitionen notwendig. Die Wertsteigerung
der Praxis erfolgt an beiden Standorten, speziell, wenn sich zum Beispiel eine Praxis
A in einem Krankenhaus als Praxis Standort B ansiedelt.
Die Aufgabe der bisherigen Standorte und die Verlegung einer Praxis in ein Ärztehaus
am Krankenhaus erscheint derzeit auch optimal. Die Konzentration des Angebotes führt
mit Sicherheit zu einem Werterhalt der Praxis, insbesondere bei Einzelpraxen. Der
Erfolg dieses Modells ist abhängig von der fachlichen Ausrichtung, da bei Konkurrenz
des Ärztehauses gegebenenfalls Zuweisungen ausbleiben.
IV. Teilzulassung als strategische Option: Hier können Kassenarztsitze unter bestimmten Bedingungen halbiert werden. Bestimmte
Leistungen können im Krankenhaus z.B. im Rahmen einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft
erbracht werden, so dass gleichzeitige Tätigkeiten stationär und ambulant möglich
sind (man denke an ein Op-Zentrum).
V. Teilzulassung in eigener Vertragsarztpraxis: Ein Arzt oder eine Ärztin mit einer Sprechstunde in eigener Vertragsarztpraxis kann
über eine Teilzulassung als Facharzt, z.B. für Gynäkologie, am Krankenhaus angestellt
werden. Die Finanzierung der Praxis kann dann gegebenenfalls über das Krankenhaus
laufen, wobei hier Darlehen oder Boni in Frage kommen, aber auch Vermietung und Verpachtung
an den entsprechenden Arzt, wobei hier natürlich die entsprechenden Abhängigkeiten
zu beachten sind, ebenso wie steuerliche und wirtschaftliche Vor- und Nachteile, wenn
zum Beispiel Zweitpraxen gegründet werden. Grundsätzlich sollte von Beginn solcher
Modellbildung Transparenz und Vertrauen herrschen, insbesondere Dinge wie Präsenspflichten
und Vertreterregelungen sollten vorab klar abgestimmt werden.
§116b SGB V: Krankenhäuser sind unter bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt Patienten auch
ambulant zu behandeln. Eine entsprechende Zulassung durch die zuständigen Landesbehörden
ist für ausgewählte hoch spezialisierte Leistungen, seltene Erkrankungen und Erkrankungen
mit besonderen Krankheitsverläufen möglich (§116b SGB V). Dazu zählen Krebserkrankungen,
schwere Formen von rheumatologischen Erkrankungen, AIDS, Tuberkulose und multiple
Sklerose (MS).
Das Krankenhaus muss einen Antrag auf Zulassung stellen, was gelegentlich heikel ist,
zumal dies nur in Ergänzung und nicht in Konkurrenz zur ambulanten Versorgung sinnvoll
ist. Gegebenenfalls sollten ambulante Praxen zur Umsetzung des §116 b SGB V eingebunden
werden, wobei es sich empfiehlt, das bereits im Vorfeld eine Abstimmung zwischen Krankenhaus
und ambulanten Praxen erfolgt.
VI. Direktverträge mit Krankenkassen: Zunehmend erfolgt die Einnahmen- und Ausgabenbalance der Krankenkassen über Direktverträge.
Hier soll der Gesundheitsfonds eine außerordentliche Rolle spielen. Derzeit ist es
so, dass die Krankenkassen vom Arzt abhängig sind, da die Einstufung eines zuschlagsfähigen
Patienten nur über die ärztliche Diagnose erfolgt. Ziel ist es letztlich, ein sektorenübergreifendes
bedarfs- und mobilitätsorientiertes Versorgungsnetzwerk zu schaffen, das einen Zusammenschluss
und einen Vertragswettbewerb ermöglicht, über welche die Patientensteuerungen laufen.
Man muss dabei beachten, dass die Patientensteuerung künftig durch Krankenkassen stärker
denn je betrieben wird, dass die Teilnahme an Umsteuerungen der Patienten durch Krankenhaus
und Praxis noch möglich ist und dass Versorgungsnetzwerke speziell für chronisch kranke
Patienten/Patientinnen erstmals interessant für die Krankenkassen geworden sind. Die
Verzahnung ambulant-stationär ist deswegen sinnvoll für die Ausrichtung auf spezialisierte
Versorgungen. Für die Teilnahme an Direktverträgen ist empfehlenswert: 1. ein medizinisches
Konzept; 2. spezialisierte Angebote und gute medizinische Behandlungspfade; 3. ein
Netzwerk von Spezialisten (Zuweisernetzwerk für spezielle Patientengruppen bzw. Indikationen);
4. Wirtschaftlichkeitsanalysen und 5. innovative Bündelung der Verhandlungskräfte
gegenüber den Krankenkassen.
Literaturempfehlungen:
-
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms (Statistisches Bundesamt).
-
http://www.mvzberater.de/aspekte-mvz-recht.asp.
-
http://www.gesundheitsrecht.info.
-
http://dejure.org/gesetze/SGB_V/302.html.
-
http://www.1a-krankenversicherung.org/nachrichten/20080709/453/zukunftsmodell-direktvertrag-krankenkassen-und-mediziner.