Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - A20
DOI: 10.1055/s-0030-1269978

Placenta percreta, Vasa praevia und Placenta praevia marginalis

B Ladendorf 1
  • 1Berlin-Spandau

Die moderne Geburtshilfe zeichnet sich durch eine ansteigende Sectiofrequenz und damit verbundenen Komplikationen aus, aber auch Placentapathologien bei nachfolgenden Schwangerschaften nehmen deshalb zu. Grundsätzlich wird der Organerhalt und Erhalt der Fertilität von den Geburtshelfern angestrebt. Mit folgenden Placentapathologien wird man konfrontiert:

Pathologien der Placentalokalisation: Dazu zählt die Placenta praevia. Man unterscheidet die Placenta praevia totalis von der Placenta partialis und der Placenta praevia marginalis. Das Vorkommen ist abhängig vom Gestationsalter und wird im III. Trimenon mit ca. 0,1–0,4% angegeben.

Placentaimplantationsstörungen: hierzu zählen die Placenta accreta, wobei die Invasion der Placenta bis an die myometrale Wand des Uterus reicht. Bei der Placenta increta findet man eine Invasion der Placenta bis in das Myometrium und bei der Placenta percreta eine Invasion der Placenta bis zur Uterusserosa oder über die Uterusgrenzen hinweg. Die Inzidenz wird hier mit 1:1000 angeboten und in 20% dieser Fälle liegt auch eine Placenta praevia vor.

Pathologien des Nabelschnuransatzes: A) Insertio velamentosa. Eine häutige Einpflanzung der Nabelschnur, frei verlaufend auf den Eihäuten bei gleichzeitig fehlender Whartonscher Sulze, deren Häufigkeit mit 1% angegeben wird. B) Vasa praevia. Die Gefäße befinden sich in umittelbarer Nähe des inneren Muttermundes, zum Beispiel bei Insertio velamentosa, bei Placenta bipartita oder bei marginalem Nabelschnuransatz. Die Häufigkeit des Vorkommens wird hier mit 0,4% angegeben.

Was sind Risikofaktoren für eine Placenta Pathologie? Uterusvoroperationen wie Sectio caesarea, Curettagen, Aborte, Myomenukleation, insbesondere submucöse Myome, Placentalösungsstörung bei vorangegangenen Schwangerschaften, Endometritis, erhöhtes mütterliches Alter, Multiparität und Mehrlingsschwangerschaften

Placenta praevia, Diagnostik und Therapie: Ultraschall im Sinne der 2D-Sonografie oder farbcodierten Dopplersonografie. Im II. Trimenon erreicht die Placenta den CK oder es kommt zu einem Überlappen des CK's. Liegt ein Oberlapping <15mm vor, so kommt es in 20% zu einer Persistenz der Placenta praevia bis zum Entbindungstermin (ET). Beträgt das Overlapping >25mm, so muss in 40% Persistenz mit einer Placenta praevia am ET gerechnet werden.

Therapie: Primäre Sectio in der 36+0 und 37+0 SSW

Zur Diagnostik und Therapie der Placenta percreta: Im Vordergrund steht der Ultraschall, inkl. 2D und 3D-Sonografie und die farbcodierte Dopplersonografie. Es fallen fehlende Abgrenzung zwischen Placenta und Myometrium, die Lakunenbildung und eine Hypervaskularisation des subplacentaren Raumes auf. Die Therapie besteht im operativen Management, ggf. auch in der Hysterektomie. Ein konservatives Management ist in ausgesuchten Fällen mit Erhalten der Fertilität möglich, wobei hier die Schwerpunkte auf der Methotrexatbehandlung aber auch auf der Embolisation der A. uterina liegen.

Zur Diagnostik und Therapie der Vasa praevia: Priorität hat die Vaginalsonografie und die farbcodierte Dopplersonografie zur Beurteilung des inneren Muttermundes. Eine RDS Prophylaxe ist obligat. Die Hospitalisation ab ca. 30. SSW wird empfohlen. Therapieempfehlung: Primäre Sectio ca. 34+0–35+0 SSW

Welche Rolle spielt der Ultraschall oder das MRI im Rahmen der pränatalen Diagnostik einer Placenta acreta? Ultraschall: Sensitivität 93%, Spezifität 71% – MRI: Sensitivität 80%, Spezifität 65% bei allerdings kleiner Fallzahl (15 korrekte Diagnosen). Beide Verfahren haben also eine gute Sensitivität und können sich ergänzend eingesetzt werden.

Es wird der Fall einer 28-jährigen III. Gravida/0. Para berichtet, bei der in der Anamnese zwei Abruptiones vorlagen. Die letzte Regel war am 7.7.2007. Der Entbindungstermin (ET) wurde für den 13.4.2008 berechnet. Der Schwangerschaftverlauf war im Wesentlichen unauffällig. Bei der Feindiagnostik in der 22/1 SSW wurde eine Placenta praevia partialis diagnostiziert. In der 28/1 SSW ergab sich sonographisch der Befund einer Placenta praevia marginalis im Bereich der Vorderwand, aber auch der Verdacht auf eine Placenta bipartita der Hinter- und der Vorderwand. Mit der Dopplersonografie ließen sich Vasa praevia mit venösem Flow darstellen. In der Placenta waren außerordentlich viele Lakunen nachweisbar, so dass hier eine Placenta percreta der Vorderwand mit Verdacht auf Cervixinvasion und vermehrter Gefäßvaskularisation diagnostiziert werden musste. Der Fet zeigte eine zeitgerechte Biometrie mit unauffälligen fetomaternalen Dopplersonografiekriterien. Wegen der Placenta percreta erfolgte die stationäre Aufnahme. Bei der vaginalen Untersuchung fand sich die Portio im Scheidenniveau de facto aufgebraucht. Das untere Uterinsegment war belastet, die Portio palpatorisch maximal 1cm lang. Die Patientin erhielt sofort eine RDS-Prophylaxe. In der 28/6 SSW wurde ein MRI durchgeführt, das zeigte eine trichterförmig aufgeweitete Cervix, die komplett durch Placenta bedeckt war. Das MRT ergab die Diagnose einer Placenta praevia totalis. Bei fehlenden vaginalen Blutungen zeigten die Ultraschallkontrollen weiterhin ein zeitgerechtes fetales Wachstum. In der 34/4 SSW erfolgte nach ausführlicher Aufklärung die primäre Sectio caesarea per Pfannenstielschnitt mit j-förmiger Uterotomie unter Umgehung der Placenta. Es wurde ein lebensfrisches 2000g schweres und 47cm langes Mädchen mit einem Apgar von 4/7/8 entwickelt. Der Blutverlust betrug ca. 1200ml. Die Placenta wurde in toto belassen. Die Patientin erhielt intra- und postoperativ 3 Erythrozytenkonzentrate und 4 FFP-Konzentrate. Gleichzeitig erfolgte eine antibiotische Abschirmung mit Cefuroxim und Clont i.v.; Außerdem erhielt die Patientin postoperativ 2 Zyklen Methotrexat/Folinsäure. In der 16. postoperativen Woche war der βHCG-Wert von 26.845 U/ml auf 0U/ml abgesunken. In dieser Zeit musste die Patientin 2 x antiobiotisch wegen einer Endomyometritis (6. und 8. Woche postoperativ) behandelt werden. Bei der digitalen Austastung des Cavum uteri in der 8. SSW wurde nekrotisches Nabelschnurmaterial gewonnen. Dopplersonographisch sistierte die Perfusion der Placentagefäße ab der 14. postoperativen Woche. Die erste Menstruation trat 6 Monate postoperativ auf. Der Ultraschall zeigte eine echoreiche Zone im Bereich der Uterusvorderwand im Sinne einer sich resorbierenden Placenta. Interessanterweise äußerte die Patientin den Wunsch nach erneuter Schwangerschaft, obwohl ihr zunächst Ovulationshemmer für 1 Jahr empfohlen wurden. Die Patientin würde eine gleiche Behandlung nach eigenen Aussagen wieder wagen. Zusammenfassend sollte grundsätzlich sollte ein fertilitätserhaltenes Vorgehen angestrebt werden, was allerdings nur in einem ausgesuchten Patientenkollektiv möglich ist. Die Risiken müssen ausführlich bedacht und in die Aufklärung der Patientin eingebracht werden: Sepsis, intravasale Gerinnungsstörung, Blutungen, ggf. Hysterektomie: Ein konservatives Management ist nur durch eine antepartale Diagnosestellung durch Ultraschall oder MRT sowie durch optimale Planung an einem Geburtszentrum möglich.

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