Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - A5
DOI: 10.1055/s-0030-1269963

Signifikante Ergebnisse durch geburtsvorbereitende Akkupunktur sowie durch Akkupunktur zur Wehenanregung bei vorzeitigem Blasensprung

J Horst-Siems 1, K Rommelspacher 1, W Mendling 1
  • 1Berlin-Kreuzberg

Vorgestellt werden zwei Studien.

A) Monozentrische Studie über den Einfluss der geburtsvorbereitenden Akkupunktur auf die Geburtsdauer und den Geburtsverlauf: Folgende Fragestellungen wurden untersucht: a) Welchen Einfluss hat die geburtsvorbereitende Akupunktur auf die Geburtsdauer, den Geburtsmodus und den Verbrauch an Wehen- und Schmerzmitteln? b) Gibt es Unterschiede des Muttermundsbefundes zwischen akupunktierten und nicht-akupunktierten Frauen?

In der Akupunkturgruppe wurden retrospektiv die Daten von 131 Frauen, die in der Akupunkturambulanz des Vivantes Urban-Klinikums eine geburtsvorbereitende Akupunktur nach dem Mannheimer Schema erhalten und die ihre Kinder zwischen dem 01.01.2000 und dem 31.12.2000 geboren hatten, ausgewertet. In die Kontrollgruppe wurden 135 Frauen gleicher Parität aufgenommen. Der Anteil deutscher Frauen lag bei den Erstgebärenden in der Akupunkturgruppe bei 85%, in der Kontrollgruppe bei 46%. Bei den Zweit- bzw. Mehrgebärenden lag der Anteil deutscher Schwangeren bei 72% bzw. 41%. Die Frauen wurden ab der 36. Schwangerschaftswoche einmal wöchentlich beidseits an den Punkten Magen 36, Gallenblase 34, Milz 6 und ab der 38. Schwangerschaftswoche zusätzlich am Punkt Blase 67 genadelt. Bei den Erstgebärenden wurden 99 Patietinnen akupunktiert, in der Kontrollgruppe fanden sich 103 Patientinnen. Die Dauer der Eröffnungsperiode betrug bei den akupunktierten Erstgebärenden 425 Minuten und bei den nicht-akupunktierten Erstgebärenden 533 Minuten (p=0,0124). Die Dauer der Austreibungsperiode betrug bei den akupunktierten Erstgebärenden 62 Minuten, bei den nicht-akupunktierten Kontrollschwangeren 56 Minuten (nicht signifikant). Bezüglich des Geburtsmodus entbanden 88% der akupunktierten Erstgebärenden spontan, während die nicht-akupunktierten Kontrollpatientinnen zu 78% spontan entbanden. In der Kontrollgruppe gab es 9% Vacuumextraktionen, während bei den akupunktierten Patientinnen nur in 1% Vacuumextraktionen durchgeführt wurden (p=0,05). Die Kaiserschnittrate war mit 11 bei den akupunktierten etwa gleich wie bei den nicht-akupunktierten Schwangeren (13%). Interessanterweise war der Wehenmittelverbrauch bei den akupunktierten Patientinnen mit 32% etwa gleich hoch wie bei den Kontrollen (30%), während es bei der Oxytocin-Infusion signifikante Unterschiede gab (p<0,05): Hier erhielten nur 26% der Akupunktierten eine Oxytocin-Infusion im Vergleich zu 40% bei den nicht-akupunktierten Kontrollpatientinnen. Nicht signifikante Unterschiede ließen sich in Bezug auf die Schmerzmittelgabe oder auf die Schmerzmittelabstinenz zwischen beiden Gruppen ermitteln, wobei hier die Dolantinapplikation und die Periduralanästhesie untersucht wurden. Die Auswertung des Bishop-Scores zeigte, dass die akupunktierten Erstgebärenden mit einem Bishop-Score von 7,6 gegenüber einem von 6,4 (der Kontrollen) aufgenommen wurden (p=0,0386). Die Muttermundsweite betrug 2,7cm gegenüber 2,2cm (Kontrolle) (p=0,0109). Bei den Mehrgebärenden zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen akupunktierten und nicht-akupunktierten Frauen, was die Dauer der Eröffnungsperiode (264 Versus 271 Minuten), die Austreibungsperiode (27 Minuten Versus 20 Minuten) betrug. Auch der Geburtsmodus war statistisch nicht signifikant unterschiedlich (Spontanpartus versus Vakuumextraktion versus Sectio cesarea). Auffällig war beim Wehenmittelverbrauch jedoch die Tendenz, dass die akupunktierten Mehrgebärenden etwas mehr Oxytocin-Infusion brauchten (ohne statistische Signifikanz). Gleiches galt für die Schmerztmittelgabe, wobei hier die akupunktierten Mehrgebärenden in 12% eine Periduralanästhesie benötigten, die nicht-akupunktierten Kontrollen jedoch in keinem Fall. Der Bishop-Score und die Muttermundsweite waren in diesen Gruppen de facto gleich. Zusammenfassung: Das mütterliche Alter beeinflusst bekanntlich die Geburtsdauer und den Geburtsmodus negativ. Trotzdem führte die geburtsvorbereitende Akupunktur bei den Erstgebärenden zu einer Verkürzung der Eröffnungsperiode, zu einer verbesserten Zervixreifung und einem vermindertem Wehenmittelbedarf unter der Geburt. Die Ergebnisse einer großen Studie von Römer et al. (1998) mit 878 Erstgebärenden konnten bestätigt werden: Die Akupunktur führt zu einer signifikanten Zervixlängenverkürzung und Trichterbildung am inneren Muttermund, zu einer günstigeren Wehenkoordination mit einem verminderten Oxytocinbedarf im Geburtsverlauf und zu einer Verkürzung der Eröffnungsperiode. Diese Daten wurden auch von Zeisler et al. (1998) in einer Studie mit 120 Frauen bestätigt. Grundsätzlich sind verkürzte Geburtsdauer, niedriger Verbrauch von Wehenmitteln, Kostensenkung und größere Zufriedenheit der Frauen und der betreuenden Geburtshelfer erstrebenswerte Ziele. Die geburtsvorbereitende Akupunktur als Methode ohne ernste Nebenwirkungen kann aufgrund der bisherigen Studienlage und der eigenen praktischen Erfahrung empfohlen werden.

B) In der zweiten Studie wurde der Einfluss der Akupunktur im Vergleich mit der Applikation des Prostaglandin-E2-Vaginalgels zur Wehenanregung bei vorzeitigem Blasensprung (VBS) untersucht. Folgende Fragen wurden untersucht: a) Ist die Anwendung von Akupunktur oder von Prostaglandin-E2-Vaginalgel zur Weheninduktion 6 Stunden nach VBS bei ausbleibender spontaner Wehentätigkeit günstiger? b) Welchen Einfluss haben die Methoden auf die Zervixreife? c) Gibt es Unterschiede in der Gesamtgeburtsdauer, dem Geburtsmodus, dem Schmerz- und Wehenmittelbedarf unter der Geburt oder der mütterlichen oder kindlichen Morbidität?

In der Akupunkturgruppe wurden 12 Frauen 6 Stunden nach VBS nach einem festgesetzten Akupunkturschema mit den als wehenauslösend geltenden Punkten: Ma 36, Di 4, Mi 6, Le 3 und Bl 67 beidseits behandelt. Die Behandlung erfolgte 6, 8 und 29 Stunden nach VBS. Bei den 11 Frauen der Prostaglandin-Gruppe wurde, wie bisher in den teilnehmenden Kliniken üblich, die Geburt 6 Stunden nach VBS mit einem Prostaglandin-E2-Vaginalgel eingeleitet. Die 8 Frauen der Kontrollgruppe erhielten erst 12 Stunden nach VBS ein Prostaglandin-E2-Vaginalgel. Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen in Bezug auf das Alter, die Parität, die Schwangerschaftswoche und dem Bishop-Score 6h nach VBS. Zusammenfassung: In der Akupunktur- und in der Prostaglandin-Gruppe zeigte sich eine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber dem abwartenden Verhalten hinsichtlich der Zervixreifung. Akupunktierte Frauen hatten tendenziell die kürzere Geburtsdauer. 59% der akupunktierten Frauen wurden innerhalb von 24 Stunden nach VBS entbunden. Dem gegenüber standen nur 50% der Frauen in den anderen Gruppen. Tendenziell ließ sich ein geringerer Schmerzmittelbedarf unter der Geburt belegen. Die Ergebnisse geben wegen der kleinen Studienpopulation nur einen Hinweis auf eine mögliche Wirkung. Sie stehen jedoch im Einklang mit den Ergebnissen anderer Studien. So konnten Gaudernak et al. (2006), Selmer-Olsen et al. (2007) zeigen, dass kein weheninduktiver Effekt bei VBS nachweisbar ist. Ungeachtet dessen zeigten sich geburtserleichternde Effekte in anderen Studien. Gleiches gilt für verminderten Schmerzmittelbedarf. In der Studie von Gaudernak et al. (2006) wurden 100 Frauen mit VBS untersucht. Eine signifikante Reduktion der Wehendauer und des Oxytocinbedarfs unter der Geburt wurden beschrieben. Bei den akupunktierten Frauen, die mit Oxytocin eingeleitet werden mussten, halbierte sich die Wehendauer. In der Studie von Selmer-Olsen et al. (2007) wurden 106 Erstgebärende mit VBS randomisiert einer Akupunkturgruppe oder einer Kontrollgruppe zugeordnet. Es fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied in der Zeit zwischen VBS und Wehenbeginn, der Geburtsdauer sowie der Schmerz- und Wehenmittelgabe unter der Geburt. Der einzige statistisch signifikante Unterschied bestand in der Zufriedenheit der Frauen mit der Behandlung. Die akupunktierten Frauen bewerteten ihre Behandlung positiver als die Frauen der Kontrollgruppe.

Schlussfolgerung: Die Anwendung der Akupunktur zur Wehenanregung oder im Geburtsverlauf ist im Vergleich mit abwartendem Verhalten gleichwertig oder sogar überlegen. Die Akupunkturanwendung birgt im Gegensatz zu einer pharmakologischen Geburtseinleitung keine ernsten Risiken. Frauen mit VBS, die auf einen spontanen Wehenbeginn warten, bevorzugen eine Akupunkturbehandlung gegenüber keiner Behandlung. Akupunkturnadeln sind billig. Es ist zu empfehlen: Ausprobieren und weiter forschen!

Literaturempfehlungen:

  • Dowswell T, Kelly AJ, Livio S, Norman JE, Alfirevic Z: Different methods for the induction of labour in outpatient settings. Cochrane Database Syst Rev. 2010; 8: CD007701.

  • Gaudernack LC, Forbord S, Hole E: Acupuncture administered after spontaneous rupture of membranes at term significantly reduces the length of birth and use of oxytocin. A randomized controlled trial. Acta Obstet Gynecol Scand 2006; 85:1348–1353.

  • Römer A, Weigel M, Zieger W, Melchert F: Veränderungen der Cervixreife und Geburtsdauer nach geburtsvorbereitender Akupunkturtherapie. In Römer A. (Hrsg): Akupunkturtherapie in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Stuttgart 1998.

  • Selmer-Olsen T, Lydersen S, Mørkved S: Does acupuncture used in nulliparous women reduce time from prelabour rupture of membranes at term to active phase of labour? A randomised controlled trial. Acta Obstet Gynecol Scand 2007; 86:1447–1452.

  • Zeisler H, Tempfer C, Mayerhofer K, Barrada M, Husslein P: Influence of acupuncture on duration of labor. Gynecol Obstet Invest 1998; 46:22–25.