Vorgestellt wird der Fall einer 39-jährigen Patientin (172cm, 72kg) die sich in einem
guten Allgemeinzustand mit einer größenprogredienten mehrkammrigen zystischen Raumforderung
im Adnexbereich rechts vorstellte, die bei einer Routine-Vaginalsonografie als asymptomatischer
Befund festgestellt wurde. Die Anamnese der III-Gravida III-Para wies 3 Spontanpartus
aus. Die Menarche fand im 14. Lebensjahr statt. Die Menstruation war unauffällig.
Kinderwunsch bestand nicht aktuell. Familienanamnese, Eigenanamnese und Sozialanamnese
wiesen keine Besonderheiten auf. Bei der gynäkologischen Untersuchung war das Abdomen
weich, indolent, die Nierenlager waren beidseits frei. Bei der Inspektion fand sich
eine reizlose Vulva ohne auffällige Lymphknotenschwellungen sowie eine unauffällige
Vagina. Ein Fluor albus wurde beschrieben. Die Portio war makroskopisch glatt. Der
letzte PAP-Abstrich war unauffällig. Der Uterus war anteflektiert, normal groß, derb
und mobil. Adnexe, Douglas und Parametrien waren ohne pathologischen Befund. Ein Tumor
war im kleinen Becken nicht palpabel. Die Transvaginalsonografie zeigte einen anteflektierten, normal großen Uterus mit
zyklusgerechter doppelter Endometriumdicke (DED). Freie Flüssigkeit im Douglas war
nicht nachweisbar. Das linke Ovar war unauffällig, von normaler Größe. Im rechten
Ovarialbereich sah man jedoch einen zystisch-soliden Tumor von 5×5cm, der durchaus
gekammert erschien. Das Labor war unauffällig, auch der Tumormarker CA 125 war im
Normbereich.
Es wurde die Indikation zur diagnostisch-operativen Laparoskopie gestellt. Zu Operationsbeginn
erfolgte die Asservierung von Douglaszytologie, die sich dann später als unauffällig
erwies. Intraoperativ zeigte sich der normal große Uterus, beide (!) Adnexe, der Douglas
und die Parametrien waren unauffällig, ebenso wie die Rotundae. Das Peritoneum wies
allseits keine Besonderheiten auf. Im Bereich der rechten Adnexregion wölbte sich
unterhalb der Sakrouterinligamente jedoch eine zystische Struktur vor. Darüber erfolgte
die Eröffnung des Retroperitoneums und die Darstellung des Befundes. In Anbetracht
des unklaren retroperitonealen Tumors wurde die Operation jedoch beendet. Die Patientin
erhielt postoperativ ein MRT des kleinen Beckens, das die Diagnose „ausgeprägte sakrale
Wurzeltaschenzysten beidseits (2. und 3. SWK)“ ergab. Die neurochirurgischen Kollegen
empfahlen keine weitere Operation, da die Wurzeltaschenzysten asymptomatische gutartige
Fehlbildungen seien. Differenzialdiagnostisch kamen bei dieser Patientin Ovarialzysten
in Frage, speziell Endometriosezysten, Dermoide oder funktionelle Zysten, aber auch
ein Tuboovarial-Abszess. Zu denken wäre auch an eine Sakto- oder Hämatosaktosalpinx,
an benigne oder maligne Tumore des Ovars und an Peritonealzysten (zum Beispiel retroperitoneale
Hydatiden oder peritoneale Pseudozysten). Sakrale Wurzeltaschenzysten sollten nunmehr
auch in das differenzialdiagnostische Denken einbezogen werden, ebenso wie sakrale
Meningozelen oder präsakrale Tumore, wie die Schwannome, die Embryonaltumore (z.B.
die Müller-Tumore, die Teratome), aber auch atypische Sinus pilonidalis, das zystische
Hamartom, neuroendokrine Karzinome und Mesotheliome. Lymphangiome bzw. Lymphangioendotheliome
sowie Lymphozelen wurden ebenfalls beschrieben, wie auch Echinkokkus-Zysten oder Mukozelen
– speziell von einem sogenannten remnant Appendix vermiformis. Zusammenfassung:
Sollte ein unklarer retroperitonealer Befund bei der diagnostischen oder operativen
Laparoskopie auftreten, empfiehlt sich in keinem Fall die Entfernung oder die Biopsie.
Es kann sich um eine Wurzeltaschenzyste mit Verbindung zum Spinalkanal handeln. Kommt
es dann aufgrund der operativen Intervention zu einer Leckage und zu Liquoraustritt
über 60ml, so besteht durchaus die Gefahr einer cerebralen Einklemmung. Im Zweifelsfall
sollte ein zweitzeitiges Vorgehen gewählt werden, wobei ein Kontrastmittel-MRT klärt,
ob eine Verbindung zum Spinalkanal vorliegt.
Literaturempfehlungen:
-
Coco C, Manno A, Mattana C, Verbo A, Sermoneta D, Franceschini G, De Gaetano A, Larocca
LM, Petito L, Pedretti G, Rizzo G, Lodoli C, D'Ugo D: Congenital tumors of the retrorectal
space in the adult: report of two cases and review of the literature. Tumori 2008;
94: 602–607.
-
El Ajmi M, Rebai W, Ben Safta Z: Mucocele of appendiceal stump – an atypical presentation
and a diagnostic dilemma. Acta Chir Belg 2009; 109: 414–415.
-
Freier DT, Stanley JC, Thompson NW: Retrorectal tumors in adults. Surg Gynecol Obstet
1971; 132: 681–686.
-
Hatipoglu AR, Coskun I, Karakaya K, Ibis C: Retroperitoneal localization of hydatid
cyst disease. Hepatogastroenterology 2001; 48: 1037–1039.
-
Ibraheim M, Ikomi A, Khan F: A pelvic retroperitoneal schwannoma mimicking an ovarian
dermoid cyst in pregnancy. J Obstet Gynaecol 2005; 25: 620–621.
-
Köhler C, Kuhne-Heid R, Klemm P, Tozzi R, Schneider A: Resection of presacral ganglioneurofibroma
by laparoscopy. Surg Endosc 2003;17: 1499.
-
Lee RA, Symmonds RE: Presacral tumors in the female: clinical presentation, surgical
management, and results. Obstet Gynecol 1988; 71: 216–221.
-
Manson F, Comalli-Dillon K, Moriaux A: Anterior sacral meningocele: management in
gynecological practice. Ultrasound Obstet Gynecol 2007; 30: 893–896.
-
Mirilas P, Skandalakis JE: Surgical anatomy of the retroperitoneal spaces, Part V:
Surgical applications and complications. Am Surg. 2010; 76: 358–364.
-
Renzulli P, Candinas D: Symptomatic retroperitoneal cyst: a diagnostic challenge.
Ann R Coll Surg Engl 2009;91:W9–11.
-
Surendrababu NR, Cherian SR, Janakiraman R, Walter N: Large retroperitoneal schwannoma
mimicking a cystic ovarian mass in a patient with Hansen's disease. J Clin Ultrasound
2008; 36: 318–320.