Klin Padiatr 2011; 223(1): 4
DOI: 10.1055/s-0030-1269937
Gastkommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Angiotensin-II-Rezeptor-(Typ-AT1-)Antagonisten (Sartane) und fetale Schädigungen – ein fortbestehendes Problem?

Angiotensin II-Receptor (Type AT1)-Antagonists and Fetal ImpairmentW. Rascher
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Publication Date:
26 January 2011 (online)

Ohne Zweifel haben Ärzte aus der Thalidomidkatastrophe vor 50 Jahren gelernt, und eine Schädigung ungeborenen Lebens durch die medikamentöse Therapie der Mutter ist selten geworden. Die besondere Vorsicht und Eingrenzung der Arzneimitteltherapie bei Schwangeren sind für das ungeborene und das neugeborene Kind von großem Vorteil.

Um so mehr schmerzt es, wenn jetzt in signifikanter Zahl Kinder in Deutschland geboren werden, deren Mütter wegen einer arteriellen Hypertonie mit oralen Angiotensin-II-Rezeptor-(Typ AT1-)Antagonisten (Sartane) behandelt werden, obwohl bekannt ist, dass eine pharmakologische Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems während der Schwangerschaft, vor allem im 2. und 3. Trimenon, den Feten schädigen kann und der Einsatz dieser Substanzgruppe in der Schwangerschaft kontraindiziert ist. Beunruhigend sind die hohe Anzahl der Fälle und das Ausmaß der Schädigung durch Sartane in Deutschland. Die Berichte sind wichtig, da nur über die Meldung und über Warnhinweise das Bewusstsein geweckt werden kann, unmittelbar bei Diagnose einer Schwangerschaft sorgfältig nach der Medikamenteneinnahme zu fragen und den Einsatz potenziell embryotoxischer Pharmaka sofort zu beenden.

Besonders schmerzt aber, dass die embryotoxische Wirkung der pharmakologischen Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems lange bekannt ist. Den Sartanen vergleichbare Arzneimittelschäden für das ungeborene Kind sind bei Hemmstoffen des Angiotensinkonversionsenzyms (ACE-Hemmer) bekannt geworden, und in Analogieschlüssen konnten die Schädigungen durch Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten vorausgesagt werden. Schon in den Fachinformationen von verschiedenen Sartanen sind Kasuistiken über Oligo- oder Anhydramnion, Nierenfunktionsstörungen bis zur Anurie, Lungenhypoplasie, Kontrakturen der Extremitäten, Hypoplasie des Schädeldaches und Totgeburten bzw. Tod in der Neugeborenenperiode nach Anwendung von Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten erwähnt. Es gibt zwar keine Hinweise auf ein nennenswertes teratogenes Potenzial in der Frühschwangerschaft, sodass eine Exposition im 1. Trimenon keinen risikobegründeten Schwangerschaftsabbruch gerechtfertigt. Aber sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft muss auf ein risikoärmeres Antihypertensivum umgestellt werden. Dies steht in den Fachinformationen der Sartane, die den verordnenden Ärzten offensichtlich nicht bekannt ist; dies ist auch in der Patienteninformation nachzulesen, die von den Patienten offensichtlich nicht ausreichend gelesen und befolgt wird.

In der Datenbank des deutschen Spontanmeldesystems (gemeinsame Datenbank vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, und der Arzneimittelkommission der Deutsche Ärzteschaft AkdÄ, Stand: August 2010) sind von insgesamt 2 618 Verdachtsberichten unerwünschter Arzneimittelwirkungen 49 von Sartanen erfasst, die sich auf eine Schwangerschaft, auf Wochenbett und Perinatalzeit beziehen [1].

Es ist ein Verdienst der Autoren, 7 Fälle einer schweren Fetopathie durch Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten aus Deutschland zusammengestellt zu haben [2]. Der Bericht ist alarmierend und zeigt, dass die Medikamentenanamnese essenzieller Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit sein muss, gerade bei Diagnose einer Schwangerschaft. Für die betroffenen Kinder kommt der Artikel zu spät, aber die Warnung und die Beachtung der Kontraindikation vermag weitere ungeborene Kinder vor der Schädigung durch Hemmstoffe des Reninsystems zu bewahren.

Literatur

  • 1 Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: „Aus Fehlern lernen”. Schwere Fetopathien durch Einnahme von Sartanen im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel, Deutsches Ärzteblatt. 2010;  107 A 1998
  • 2 Hünseler C, Paneitz A, Friedrich D. et al . Angiotensin II receptor blocker induced fetopathy: 7 cases.  Klin Padiatr. 2011;  223 5-9

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