Einleitung: Das Lynch-Syndrom ist für etwa 2–3% aller kolorektalen Karzinome verantwortlich.
Durch Keimbahnmutationen in den Mismatch-Reparaturgenen (MLH1, MSH2, MSH6, PMS2) können
bei der DNA-Replikation entstehende Basenfehlpaarungen oder kleine Loops nicht korrigiert
werden und führen je nach Genlokalisation zur Tumorentstehung. Die Replikationsfehler
entstehen besonders in repetitiven DNA-Sequenzen, den sog. Mikrosatelliten. Zum Tumorspektrum
gehören neben dem Kolon- und Endometriumkarzinom Karzinome des Magens und des Urogenitaltrakts.
Klinischer Fall: Ein 60-jähriger adipöser Patient stellt sich zur Abklärung einer
etwa 30 cm großen Leberraumforderung vor. Anamnestisch 1991 Hemikolektomie rechts
bei Kolonkarzinom sowie multiple Talgdrüsentumoren. In der Familiengeschichte gehäufte
kolorektale und urogenitale Tumoren (Amsterdam II-Kriterien positiv). Somit klinisch
V.a. Muir-Torre-Variante des Lynch-Syndroms vor. Bei sonographisch normalem Leberparenchym
und tumorbedingter PA-Thrombose rechts histologische Klassifizierung als mässig differenziertes
HCC.
Spezielle Diagnostik: Sowohl das HCC als auch das CRC (archiviertes Gewebe) wiesen
eine deutliche Mikrosatelliteninstabilität (6/7 Marker positiv) auf. Immunhistochemisch
konnte in beiden Tumoren ein nukleärer Expressionsverlust für MSH2 und MSH6 bei normaler
Färbung für MLH1 und PMS2 nachgewiesen werden. Molekulargenetisch fand sich eine pathogene
Keimbahnmutation (c.2291G>A; Trp764X) im MSH2-Gen.
Diskussion: Im vorliegenden Fall konnte ein Lynch-Syndrom (Muir-Torre-Variante) klinisch und
molekulargenetisch gesichert werden. Das histologisch charakterisierte HCC weist alle
Charakteristika eines Lynch-Syndrom-assoziierten Tumors auf. Obwohl HCCs nicht zum
Tumorspektrum beim Lynch-Syndrom gehören und die Hepatokarzinogenese auf anderen Mechanismen
beruht, könnte es sich um einen seltenen Fall eines auf dem Boden eines Mismatch-Reparaturdefekts
entstandenen HCC handeln.
Hepatozelluläres Karzinom - Lynch-Syndrom - Mikrosatelliten-Instabilität