Einleitung/Hintergrund: Tramadol ist eines der verordnungsstärksten Schmerzmittel in Deutschland. Zwar ist
eine analgetische Wirkung in Studien nachgewiesen (auch für Kombinationspräparate),
aber es gibt auch kritische Anmerkungen zum Wirkstoff selber, zu dessen hohen Verordnungszahlen
und grundsätzlich zu der WHO-Stufe II. Besonders der Tramadol-Hochverbrauch erscheint
fragwürdig, zumal auch Missbrauch bekannt geworden ist. Die hier vorgelegte Studie
evaluiert Verordnungsverläufe von Versicherten, bei denen ein Tramadol-Hochverbrauch
vorliegt. Es sollen Hinweise dafür gegeben werden, welche Faktoren mit einem solchen
Hochverbrauch assoziiert sind. Material und Methoden: Als Datengrundlage dienen pseudonymisierte GKV-Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse
aus dem Jahr 2007. Für die vorliegenden Auswertungen werden speziell die Versicherten-Stammdaten,
die Arzneimittel-Verordnungsdaten und die ambulanten Abrechnungsdaten genutzt. Aus
einer definierten Grundgesamtheit von Erwachsenen (ab 18 Jahren), die mindestens einen
Tag je Quartal versichert waren, werden zwei Gruppen gebildet und einander gegenüber
gestellt: Tramadol-Hochverbraucher (>180 DDD im Jahr) vs. „Normalverbraucher“ (≤180
DDD im Jahr). Es werden die Geschlechts- und Altersverteilungen beschrieben, Häufigkeiten
bezüglich verschiedener Schmerzdiagnosen sowie Komorbiditäten und ambulanter Arztkontakte
aufgezeigt. Mit den Daten wird eine logistische Regression durchgeführt. Ergebnisse: Von 22.946 Versicherten mit Tramadol-Verordnungen konnten 7,9% als Hochverbraucher
identifiziert werden. Im Vergleich zu den Normalverbrauchern sind Patienten mit Hochverbrauch
etwas häufiger weiblich, weisen mehr ambulante Arztkontakte sowie unspezifische Schmerzdiagnosen
(z.B. somatoforme oder andernorts nicht näher klassifizierte Schmerzen) und psychische
Komorbiditäten (z.B. Depression, Abhängigkeitserkrankungen) auf. Keine Unterschiede
fanden sich in der Verteilung spezifischer Schmerzarten (z.B. Rückenschmerzen, Krebsschmerzen,
Kopfschmerzen). Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Tramadol-Hochverbraucher sind gekennzeichnet durch eine hohe Inanspruchnahme
von ambulanten Leistungen und durch psychische Komorbiditäten, was Hinweise auf einen
möglichen Missbrauch dieser Substanz geben könnte. In der ambulanten Verordnung sollte
ein besonderes Augenmerk auf diese Patienten gelegt und die Entscheidung der Tramadol-Verordnung
kritisch überdacht werden.