Gesundheitswesen 2010; 72 - P22
DOI: 10.1055/s-0030-1266530

Über die (wenig) abschreckende Wirkung eines Krankenhausaufenthalt wegen Alkoholvergiftung bei Jugendlichen

E Bitzer 1, E Schilling 2, T Grobe 2, H Dörning 2
  • 1Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg
  • 2ISEG-Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung, Hannover

Krankenhausaufenthalte wegen Alkoholvergiftung haben sich bei jugendlichen Jungen und Mädchen seit 1990 verfünfacht. In 2008 wurden 3,6 von 1000Mädchen und 5,2 von 1000 Jungen aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt. Ob ein solcher Krankenhausaufenthalt zu einer Änderung des Trinkverhaltens führt, wurde im Rahmen einer Befragung von Jugendlichen nach einem derartigen Krankenhausaufenthalt untersucht. Befragt wurden Versicherten einer deutschen Krankenkasse im Alter zwischen 14 bis 20 Jahren, die in den letzten 3 Jahren (Stichtag: 30.06.2008) nach Analysen der Routinedaten mindestens einmal wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gewesen sind (n=1.168). Das Erhebungsinstrumentarium umfasste u.a. Big-Five-Inventory 10, persönliche und familiäre Ressourcen, Alkoholkonsum im sozialen Umfeld, Lebenssituation und Alkoholwirkerwartungen. Zudem wurde erhoben, ob die Befragten schon einmal aufgrund einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus gewesen sind und wie sich dieser Krankenhausaufenthalt auf das Trinkverhalten ausgewirkt hat. In einer multivariaten logistischen Regression wurden Einflussgrößen auf die Wahrscheinlichkeit, nach einem Krankenhausaufenthalt weniger Alkohol als früher zu konsumieren, modelliert. Die Rücklaufquote betrug 17,7% (n=207). Unterdurchschnittlich beteiligt haben sich Jungen, ältere Jugendliche und Jugendliche mit mehreren alkoholassoziierten Krankenhausaufenthalten. 177 der 207 Befragten bejahten die Frage nach einem früheren Krankenhausaufenthalt wegen Alkoholvergiftung (86,3%). Diese 177 Jugendliche geben zu ca. 84% an, weniger Alkohol als vor dem Krankenhausaufenthalt zu trinken. Ca. 17% sagen, sie trinken genauso viel wie vorher oder mehr Alkohol. Drei Merkmale erweisen sich als bedeutsame Prädiktoren, nach einem Krankenhausaufenthalt weniger Alkohol zu trinken: „Geschlecht“ (Mädchen vs. Jungen: OR 6,6; 95% KI: 2,2–19,7), „Einstiegsalter“ (Einstiegsalter >12J. vs. bis 12J. OR 9,4; 95% KI: 3,3–26,7) sowie ein Freundeskreis in dem weniger oft und viel Alkohol konsumiert wird (C-Statistik: 0,83). Allerdings haben selbst Jugendliche mit nach eigenen Angaben reduziertem Alkholkonsum noch vergleichsweise viele (9,4) Trinkgelegenheiten in den letzten 30 Tagen wahrgenommen und praktizieren häufig (zu 28,9%) Binge Drinking. Krankenhausaufenthalte aufgrund von Alkoholvergiftung haben nur bedingt eine abschreckende Wirkung.