Gesundheitswesen 2010; 72 - V274
DOI: 10.1055/s-0030-1266480

Kinder alleinerziehender Frauen in Deutschland: Gesundheitsrisiken und Umweltbelastungen

M Scharte 1 G Bolte 1, GME-Studiengruppe
  • 1Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, München, München

Hintergrund: In den letzten 15 Jahren ist das Risiko relativer Einkommensarmut in Deutschland stark gestiegen. Besonders armutsgefährdet ist die Gruppe der Alleinerziehenden. Da Armut häufig auch mit einem schlechteren Gesundheitszustand assoziiert ist, wurde in der vorliegenden Studie die körperliche und psychische Gesundheit, das Gesundheitsverhalten und die Wohn- und Umweltqualität der Kinder alleinerziehender Mütter im Vergleich zu den Kindern aus Paarfamilien untersucht. Studienpopulation und Methodik: Die Grundlage für diese Analyse bilden die ersten drei Surveys der Gesundheits-Monitoring-Einheiten 2004–2007 in drei Landkreisen und drei kreisfreien Städten Bayerns, in denen Eltern von insgesamt 19039 Kinder (53% Jungen) im Alter 5–7 Jahre schriftlich befragt wurden (Teilnahmerate 73%-78%). Die Analysepopulation mit vollständigen Angaben zur Familiensituation umfasste 18327 Kinder. Der Anteil alleinerziehender Mütter lag bei 10%. Ergebnisse: Alleinerziehende Frauen schätzten den Gesundheitszustand ihres Kindes häufiger als mittelmäßig bis sehr schlecht ein als Eltern aus Paarfamilien (Jungen: OR 1,37 [95% KI 1,07–1,77], Mädchen: 1,77 [1,33–2,35]). Die Söhne Alleinerziehender waren häufiger adipös (1,44 [1,09–1,90]). Sie wiesen einen signifikant höheren SDQ-Gesamtproblemwert auf (1,97 [1,46–2,65), hatten häufiger emotionale Probleme (2,01 [1,49–2,72]) und zeigten häufiger hyperaktives Verhalten (1,80 [1,33–2,44]) als Jungen aus Paarfamilien. Keine Unterschiede bestanden im prosozialen Verhalten. Hinsichtlich der psychischen Parameter unterschieden sich Mädchen aus Einelternfamilien kaum von denjenigen aus Paarfamilien. Allerdings lag hier die Asthmaprävalenz signifikant höher (2,06 [1,29–3,30]. Jungen und Mädchen Alleinerziehender waren seltener aktiv im Sportverein; die Jungen bewegten sich auch in der Freizeit weniger. Hinsichtlich des Obst- und Gemüseverzehrs gab es keine Unterschiede. Kinder alleinerziehender Frauen waren zuhause häufiger Passivrauch ausgesetzt (2,03 [1,79–2,29]). Einelternfamilien gaben deutlich häufiger eine Beeinträchtigung durch Lärm, Luft und Mangel an zugänglichen Grünflächen an als Paarfamilien und lebten häufiger an Straßen mit hoher Verkehrbelastung. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse verdeutlichen das höhere Gesundheitsrisiko sowie die nachteiligen Wohn- und Umweltbedingungen von Kindern alleinerziehender Mütter. Zur Klärung der vermittelnden Faktoren werden weitere Analysen durchgeführt.