Hintergrund: Die Handgreifkraft ist ein wichtiger Indikator der körperlichen Funktionsfähigkeit
und ein starker Prädiktor von Behinderung, Morbidität und Mortalität bei älteren Menschen.
Die prognostische Bedeutung dieses einfach zu messenden objektiven Gesundheitsindikators
für die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter ist bislang unzureichend untersucht
worden. Ziel dieser Studie ist es, den Zusammenhang zwischen Handgreifkraft und Änderungen
der kognitiven Leistungsfähigkeit im Verlauf zu untersuchen. Material und Methoden: Längsschnittanalyse von Daten des „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe
(SHARE)“, einer longitudinalen Panelstudie mit Personen in Privathaushalten im Alter
ab 50 Jahren in 11 Europäischen Ländern. Eingeschlossen wurden 17.525 Studienteilnehmer
(mittleres Alter 64,2 Jahre; 54,7% Frauen), die an der Basisuntersuchung 2004/2005
und an der ersten Nachuntersuchung 2006/2007 teilgenommen hatten. Die kognitive Leistungsfähigkeit
wurde zu beiden Zeitpunkten durch die semantische Wortflüssigkeit und den verzögerten
Abruf einer 10-Wortliste gemessen. Die Messung der maximalen Greifkraft in kg erfolgte
bei Studienbeginn mit einem isometrischen Dynamometer. Der Zusammenhang zwischen Greifkraft
und Änderung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Verlauf wurde in linearen Mehrebenenmodellen
analysiert, die für soziodemografische Faktoren, Bildung, Einkommen, Depressivität
und relevante Indikatoren der körperlichen Gesundheit und des Gesundheitsverhaltens
adjustiert waren. Ergebnisse: Eine höhere Greifkraft bei Studienbeginn war nach einer mittleren Nachuntersuchungszeit
von 2,3 Jahren mit einer besseren kognitiven Leistung in Wortflüssigkeit (β=0,012,
S.E.=0,002) und im Wortliste Abrufen (β=0,08, S.E.=0,006) assoziiert, nach Adjustierung
für alle Kovariablen. Weibliches Geschlecht, höhere Bildung und höheres Einkommen
waren ebenfalls unabhängige Prädiktoren einer besseren Leistung in beiden kognitiven
Tests, während höheres Alter, Depressivität, funktionelle Einschränkungen, kardiovaskuläre
Erkrankungen und körperliche Inaktivität mit reduzierter kognitiver Leistungsfähigkeit
im Verlauf assoziiert waren. Schlussfolgerung: Höhere Greifkraft war ein prognostischer Marker für eine bessere kognitive Leistungsfähigkeit
im Verlauf, unabhängig von anderen Einflussfaktoren der kognitiven Funktion. Der prognostische
Wert der Greifkraft für gesundes kognitives Altern im Langzeitverlauf sollte in epidemiologischen
Studien weiter untersucht werden.