Aktuelle Ernährungsmedizin 2011; 36(1): 23-30
DOI: 10.1055/s-0030-1265983
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ballaststoffe, Energieaufnahme und Lebensmittelverzehr

Dietary Fiber, Energy Intake and Food ConsumptionV.  Schusdziarra1 , M.  Hausmann1 , M.  Sassen1 , M.  Kellner1 , J.  Mittermeier1 , J.  Erdmann1
  • 1Klinik für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar, TU München
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Publication Date:
04 February 2011 (online)

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Zusammenfassung

Ballaststoffe tragen zu einer größeren Nahrungsmenge bei, ohne gleichzeitige Erhöhung der Energieaufnahme. Damit begünstigt ein höherer Ballaststoffanteil eine niedrige Energiedichte bei hohem Sättigungseffekt. Aus diesem Grund liegt es nahe, in der Adipositastherapie eine möglichst ballaststoffreiche Ernährung zu empfehlen, um die tägliche Energiezufuhr bei gleichbleibender oder sogar gesteigerter Verzehrsmenge leichter reduzieren zu können. Inwieweit ein höherer Anteil an Ballaststoffen in der täglichen Ernährung zu einer geringeren Energieaufnahme beiträgt, wurde deshalb in der vorliegenden intraindividuellen Analyse der Ernährungsgewohnheiten Adipöser und Normalgewichtiger untersucht. Methode Bei 480 Adipösen und Normalgewichtigen wurden 10-tägige Ernährungsprotokolle ausgewertet und auf der Basis der täglichen Ballaststoffaufnahme intraindividuell in aufsteigender Reihenfolge sortiert. Ergebnisse Mit steigender Ballaststoffzufuhr nahm die Energiedichte der täglich verzehrten Lebensmittel signifikant ab, während Verzehrsmenge und Energieaufnahme signifikant zunahmen. Da die Veränderung der Energiedichte nur − 14,5 % betrug, aber die Zunahme der Verzehrsmenge + 47,9 %, war eine Steigerung der Energieaufnahme um 30,5 % zu beobachten. Die Steigerung der Verzehrsmenge ist in erster Linie durch niedrigenergetische Lebensmittel verursacht (+ 60,9 %), während hochenergetische Lebensmittel nur mit 25,2 % an der Steigerung der Verzehrsmenge beteiligt sind. Bei der Energieaufnahme spielt die Steigerung des Verzehrs hochenergetischer Lebensmittel die größte Rolle. Die für diese Veränderungen hauptsächlich verantwortlichen Lebensmittelgruppen sind Brot, Obst, Gemüse, Kohlenhydratbeilagen, Streichfett, Aufschnitt und Süßigkeiten. Schlussfolgerung Die vorliegenden Daten zeigen, dass eine höhere Ballaststoffaufnahme nicht gleichbedeutend mit einer reduzierten Energieaufnahme ist, da mit der Steigerung des Ballaststoffverzehrs eine deutliche Zunahme der Verzehrsmenge verbunden ist. Einen günstigen Effekt haben Ballaststoffe, wenn sie verarbeiteten Lebensmitteln wie z. B. Brot zugesetzt werden, um Energieträger wie Mehl zu verdrängen, sodass die Energiedichte deutlich reduziert wird. In der Adipositastherapie sollte deshalb der Fokus mehr auf die Energiedichte der Lebensmittel als auf die tägliche Ballaststoffaufnahme gerichtet sein.

Abstract

Dietary fiber contributes to greater food quantity without simultaneous increase of energy intake. Therefore dietary fiber favours a low energy density of food items associated with a high satiating effect. Accordingly diets rich in dietary fiber are recommended for obesity treatment to accomplish more easily hypocaloric food intake in conjunction with maintenance of satiety. It is the intention of the present study to examine whether or not greater fiber intake in daily nutrition contributes to a reduced energy intake in obese and normal weight subjects. Methods Dietary protocols of 480 obese and normal weight subjects were analyzed and ranked intraindividually on the basis of daily fiber intake. Results With increasing dietary fiber intake energy density of all daily consumed food items was significantly lower while food quantity and energy intake increased significantly. Reduction of energy density was − 14.5 % while food quantity increased by + 47.9 % resulting in a rise of energy intake of + 30.5 %. The increase of food quantity was primarily due to food items with low energy density (+ 60.9 %) while those with high energy density contributed 25.2 % only. With regard to energy intake food with high energy density contributed most. The most important food groups were bread, fruits, vegetables, carbohydrates such as rice, pasta and potatoes, butter, sausages and chocolate. Conclusion The present data demonstrate that high intake of dietary fiber does not automatically reduce energy intake since increased fiber intake is tightly connected with greater food quantity. A favourable effect of dietary fiber can be obtained in processed food such as bread where fiber can replace energy containing components such as flour. This would result in lower energy density. Therefore in obesity treatment it is more reasonable to focus on energy density rather than on daily fiber intake.

Literatur

Prof. Dr. V. Schusdziarra

Klinik für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar, TU München

Ismaninger Straße 22

81675 München

Email: volker.schusdziarra@lrz.tum.de