Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2010; 20 - A21
DOI: 10.1055/s-0030-1265648

Physiotherapie bei somatoformen Schmerzstörungen, Illusion oder Möglichkeit?

J Letzel 1, M Marksteiner 1
  • 1Städtisches Klinikum Görlitz gGmbH Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Niesky

Fragestellung: Physiotherapie bei somatoformen Schmerzstörungen, Illusion oder Möglichkeit? Wie können Arzt und Physiotherapeut mit unangenehmen Affekten in der Therapie umgehen? Methodik: Literaturrecherche, Darstellung von Erfahrungen aus der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Städtischen Klinikums Görlitz und aus der der staatlich anerkannten berufsbegleitenden Qualifizierung zum Fachphysiotherapeuten für psychosoziale Medizin in Sachsen. Ergebnisse: In dem Workshop werden im ersten Teil zunächst die somatogenen und psychogenen Mechanismen der Schmerzchronifizierung, dann die aus der psychodynamischen Therapie bekannten Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene mit z.T. heftigen unangenehmen Gefühlen und Handlungsimpulsen beim Therapeuten betrachtet und anschließend eine Einführung in die Psychotherapeutische Propädeutik gegeben. Dabei werden sowohl verhaltenstherapeutische (vgl. Angst-Vermeidungsverhalten nach PFINGSTEN) als auch psychodynamische Modi berücksichtigt. Im zweiten Teil wird versucht, die unterschiedlichen Grundannahmen und Therapieziele in Physiotherapie und Psychotherapie unter einen Hut zu bringen, wobei auf die Erfahrungen der Workshopteilnehmer zurückgegriffen werden soll. Diskussion: Die strikte mechanistische Trennung in körperliche und seelische Vorgänge ist überholt. In der Regel treten (vgl. ENGEL 1977) biologische, soziale und psychologische Krankheitsfaktoren miteinander in Form einer zirkulären Kausalität in Interaktion. Zur Bewältigung der bei der Behandlung von Patienten mit somatoformen Störungen auftretenden unangenehmen Gegenübertragungsimpulse beim Therapeuten, wie z.B. Ärger, Desinteressiertheit unangemessener Kausalattributionen ist eine intensive kollegiale Zusammenarbeit zwischen Physiotherapie und Psychosomatik unabdingbar. Eine neue Möglichkeit der integrativen Sicht von Seele und Körper besteht in dem neuen Ausbildungsgang zum Fachphysiotherapeuten für psychosoziale Medizin.