Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11 - P147
DOI: 10.1055/s-0030-1265482

„Mehr Licht“: Transiente Obskurationen in der Sterbephase

J Anneser 1, M Hofmann 2, GD Borasio 2
  • 1Universität München, Neurologische Klinik und Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, München, Germany
  • 2Universität München, Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, München, Germany

„Mehr Licht“ Das waren die letzten Worte Goethes, der am 22. März 1832 – wohl an den Folgen einer Lungenentzündung – verstarb. Es liegt sicher nicht zuletzt an der Person Goethes, dass dieser Ausspruch überwiegend philosophisch interpretiert wurde. Allerdings gibt es auch die Auffassung, er habe in seinem Frankfurter Dialekt sagen wollen, dass sein Lehnstuhl unbequem ist: „mer liescht ... (hier so schlescht)“.

Abb.1: Goethes Tod (Fritz Fleischer um 1900)

Unsere Beobachtungen an zwei Sterbenden legen nahe, dass es sich bei Goethe jedoch auch um eine transiente Obskuration als Folge eines Blutdruckabfalls gehandelt haben könnte. Hierfür spricht auch die Anmerkung von Goethes Arzt Dr. Carl Vogel dass sich der Puls des Kranken „fast ganz verloren“ hätte.

Bei zwei Patienten mit generalisierten Tumorerkrankungen (männl., 46J., weibl., 29J.) kam es ca. 2 bzw. 4 Stunden vor dem Tod zu transienten Obskurationen. Im ersten Fall bat der Patient –ähnlich Goethe – um helleres Licht. Im zweiten Fall berichtete die Patientin angstvoll, dass sie „alles schwarz sehen“ würde. Der Blutdruck betrug 70mm Hg syst.. In beiden Fällen remittierten die Symptome nach einigen Minuten.

Pathophysiologisch scheint –ähnlich präsynkopalen Zuständen – eine zerebrale und retinale Minderdurchblutung zugrunde zu liegen. Im Vorfeld von Synkopen sind Obskurationen häufig. Hierbei muss der mittlere Blutdruck auf 30–40mm Hg (Augenniveau) absinken, um visuelle Symptome zu verursachen.

Diese Beobachtung ist (außer für Germanisten) möglicherweise auch für Palliativmediziner relevant, da die beschriebenen Obskurationen vom Sterbenden als beunruhigend erlebt werden können und einfache Maßnahmen zur Blutdrucksteigerung zu einer Symptomlinderung beitragen könnten.