Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11 - P73
DOI: 10.1055/s-0030-1265417

Nicht so wie mein Vater! Eine qualitative Studie zum Einfluss von Motivationen auf die Konzeption von Patientenverfügungen

B Jaspers 1, 2, M Becker 1, 2, C King 1, L Radbruch 3, R Voltz 4, F Nauck 1
  • 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Palliativmedizin, Göttingen, Germany
  • 2Lehr- und Forschungsstelle für Palliativmedizin, Universität Bonn, Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg, Bonn, Germany
  • 3Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Klinik für Palliativmedizin, Aachen, Germany
  • 4Klinikum der Universität zu Köln, Klinik für Palliativmedizin, Köln, Germany

Fragestellung: Im Rahmen einer qualitativen Studie wurde untersucht, inwieweit seine Motivationen zum Erstellen einer Patientenverfügung (PV) den Verfasser in seinen Wünschen und Vorstellungen beeinflussen.

Methodik: Halbstandardisierte Leitfadeninterviews (INT) mit expliziten Fragen nach Anlässen und Gründen zur Erstellung der PV, Erwartungen an die Wirkung der PV und nach ihrer wichtigsten Botschaft. Die transkribierten INT wurden durch ein induktiv gebildetes Kategoriensystem inhaltsanalytisch ausgewertet. Software: MAXQDA 2007.

Ergebnis: Es wurden 53 Probanden befragt: 20 Gesunde, 16 Chronisch Kranke und 12 Palliativpatienten; Alter: MW 63,2±4,4 Jahre (55–70), 34% ♂. INT MW: 22:48±9:50 Min. (11:37–63:10). Als Anlässe wurden kategorisiert: rationale (öffentl. Debatte, sachlicher Wunsch nach Verschriftlichung von Behandlungswünschen etc.) und emotional geprägte (Altruismus, Tod in Familie etc.). Gründe zur Erstellung einer PV konnten in aktiv (eigene Vorstellungen) und reaktiv formulierte (gespiegelt am Sterben Anderer) unterteilt werden. Es konnten vier Motivationstypen gebildet werden (1. Erfahrung mit Tod und Sterben Anderer: Nicht so wie! 2. Positive Erfahrung bei Familie/Freunden: So wie! 3. Altruismus: Für Andere! 4. Sachlicher Anlass: So nicht!). Probanden mit negativ besetztem Sterben Anderer im persönlichen Umfeld konstruierten ihre PV als negative Blaupause dieses Ereignisses ohne dabei bzw. darüber hinaus die eigene Persönlichkeit und Situation zu berücksichtigen. Gruppenunterschiede werden präsentiert.

Schlussfolgerung: Emotional geprägte Motivationen können zu einer Verengung des Denkens führen, sodass wichtige persönliche Aspekte beim Verfassen einer PV unberücksichtigt bleiben. Im Beratungsgespräch sollte daher sowohl nach Anlass als auch nach Gründen gefragt werden, um Fallstricken einer solchen Fokussierung antizipativ zu begegnen.

Gefördert durch DFG, Nr. NA 780/1–1