In Deutschland erkranken jährlich ca. 2000 Kinder und Jugendliche an Krebs. Bis zu
80% dieser Patienten überleben langfristig. Dementsprechend versterben 20% nach wie
vor an ihren Erkrankungen oder den Komplikationen der multimodalen Therapie. In der
Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Münster
werden jährlich ca. 120 neuerkrankte Patienten umfassend versorgt. Trotz stark verbesserter
Heilungschancen versterben davon im Mittel 30 Patienten/Jahr. In den letzten 4 Jahren
haben wir ein pädiatrisches Palliative-Care-Team (PäPCT) für die Versorgung dieser
Patienten und ihrer Familien etabliert. Wie bei Erwachsenen leidet ein Teil der Kinder
und Jugendlichen in der terminalen Situation ihrer Erkrankung an schwer beherrschbaren
Symptomen. Neben Analgetika werden in dieser Phase Sedativa, insbesondere Benzodiazepine
und Neuroleptika, in verschiedenen Indikationen (Dyspnoe, Angst, Unruhe, Schlafstörungen,
Krampfanfälle) eingesetzt. Grundsätzlich sind die zahlreichen unterschiedlichen Definitionen
und Ausführungen zur „Sedierung am Lebensende“ komplex. Sie sind beladen mit über
die medizinischen Aspekte hinausgehenden moralisch-ethischen und juristischen Inhalten.
Eine Experten-Kommission der EAPC definierte 2007: „Palliative Sedierungstherapie
ist die spezifische Anwendung sedierender Medikamente, um unerträgliches Leid ausgelöst
durch refraktäre Symptome, durch die Reduktion des Bewusstseins zu lindern. Dafür
sind die geeigneten Medikamente am Effekt zu titrieren.“ Für die praktische Durchführung
liegen in der Literatur für Erwachsene Leitlinien vor. Dem Beginn einer palliativen
Sedierung soll ein Entscheidungsprozess vorangehen, indem wann immer möglich der Patient,
seine Angehörigen und das behandelnde Team idealerweise zu einem Konsens über das
weitere Vorgehen finden. Es bedarf einer Aufklärung über die Indikation, die Ziele,
Risiken und die Durchführungsmodalitäten. Im Kontext der Kinder- und Jugendmedizin
ist dieses Vorgehen durch die unterschiedlichen Altersstufen und das damit bedingte
individuelle Maß der Kommunikations- und Einwilligungsfähigkeit und die notwendige
Einbindung der Eltern deutlich komplexer. Es ist festzulegen, ob das Ziel eine intermittierende
oder kontinuierliche und in ihrer Ausprägung eine milde, intermediäre oder tiefe Sedierung
sein soll – eine Überwachung der Sedierungstiefe ist obligat. Es liegen in der Literatur
keine validierten Daten für den Gebrauch von Messinstrumenten bei Kindern vor. Trotzdem
empfiehlt die französische Gesellschaft für Palliativmedizin die Anwendung der COMFORT
B-Skala. Es existieren bisher nur kleine Fallserien über die Sedierung von Kindern
am Lebensende, denen sehr unterschiedliche Definitionen zu Grunde gelegt wurden. Wir
analysierten retrospektiv die Patientenakten der 48 von insgesamt 81 verstorbenen
Patienten unseres Kollektivs, die im Zeitraum von 2007 bis 2009 entweder auf der onkologischen
Station (14/81) oder zuhause (34/81) in der Betreuung des PäPCT verstorben sind. Es
wurde geprüft, ob in den letzten 72h Lebensstunden eine palliative Sedierungstherapie
im oben genannten Sinne durchgeführt wurde. Wenn ja, analysierten wir neben den Patientenmerkmalen
(Geschlecht, Diagnose, Alter bei Tod) die Indikation, die Durchführung (Medikamente,
Applikationsform, Dauer, Überwachung der Sedierungstiefe) und die Dokumentation des
Entscheidungsprozesses. Unsere Untersuchung zeigt, dass eine kontinuierliche, i.v.
durchgeführte, palliative Sedierungstherapie am Lebensende fast ausschließlich zur
Linderung einer ansonsten therapierefraktären Dyspnoe bei Jugendlichen, bzw. jungen
Erwachsenen mit soliden Tumoren, im stationären Bereich notwendig wurde. Eine Verbesserung
des Vorgehens ist insbesondere im Bereich des Monitorings der Sedierungstiefe und
der Dokumentation des Entscheidungsprozesses erforderlich.