Z Gastroenterol 2010; 48 - P676
DOI: 10.1055/s-0030-1264115

Prophylaxe der Hepatitis-B-Reinfektion nach Lebertransplantation: Kann HBIG unter einer Therapie mit potenten Nukleos(t)idanaloga abgesetzt werden? Ein Fallbericht

T Karlas 1, J Hartmann 1, M Maier 2, A Weimann 3, M Bartels 3, S Jonas 3, J Mössner 1, T Berg 1, J Wiegand 1
  • 1Universitätsklinikum Leipzig; Department für Innere Medizin, Dermatologie und Neurologie, Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Leipzig, Germany
  • 2Universität Leipzig; Institut für Virologie, Leipzig, Germany
  • 3Universitätsklinikum Leipzig; Department für Operative Medizin, Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Leipzig, Germany

Einleitung: Die Kombination von Lamivudin und Hepatitis B-Immunglobulinen (HBIG) stellt die Standardtherapie zur Verhinderung einer Hepatitis B-Reinfektion nach Lebertransplantation dar. Die regelmäßige Gabe von HBIG ist jedoch mit hohem Aufwand und erheblichen Kosten verbunden. Alternative Therapieschemata mit niedrigdosiertem HBIG, zeitlich begrenzte HBIG-Gaben und Kombinationstherapien mit Lamivudin und Adefovir haben widersprüchliche Ergebnisse geliefert. Inwieweit durch den kombinierten Einsatz hochpotenter Nukleos(t)idanaloga auf HBIG verzichtet werden kann, ist bisher nicht untersucht.

Fallbericht: Ein 50-jähriger Patient mit Hepatitis B-induzierter Leberzirrhose und hoher Virämie (HBV-DNA 35 Mio. Kop./ml, HBeAg positiv, HBV-Genotyp D) wurde nach hydropischer Dekompensation (CHILD B, MELD 15 Punkte) im Juni 2006 initial erfolgreich mit 100mg/d Lamivudin behandelt. Im Dezember 2006 kam es im Rahmen einer Lamivudin-Resistenzentwicklung (M204V/I) zu einem virologischen Durchbruch (HBV-DNA 30 Mio. Kop./ml) mit erneuter klinischer Dekompensation. Daraufhin erfolgte eine Therapieumstellung auf Tenofovir 245mg/d plus Lamivudin, worunter die HBV-DNA negativ wurde (<200 Kop./ml). Bei einmaligem Nachweis einer geringen Virämie von 479 Kop./ml erfolgte im März 2008 eine Umstellung auf Tenofovir plus Entecavir 1mg/d. Im Oktober 2008 wurde bei HBV-DNA negativem Status erfolgreich eine orthotope Lebertransplantation durchgeführt. Intraoperativ erhielt der Patient 10.000 IE HBIG sowie postoperativ weitere 26.000 IE an den Tagen 2 und 3. Anschließend wurde die HBIG-Therapie gestoppt. Der anti-HBs-Titer betrug maximal 1477 IU/l, fiel sukzessive ab und war seit Februar 2009 negativ. Unter Fortführung der Kombinationstherapie mit Tenofovir plus Entecavir blieben HBV-DNA und HBsAg über den gesamten Beobachtungszeitraum von 18 Monaten post OLT negativ.

Diskussion: Unser Fall spricht dafür, dass hoch-potente Nukleos(t)id-Analoga langfristig auch ohne kontinuierliche HBIG-Prophylaxe eine HBV-Reinfektion nach Transplantation verhindern können. Effektivität und Verträglichkeit von Tenofovir und Entecavir zur HBIG-freien Prophylaxe der HBV-Reinfektion nach Lebertransplantation sollten im Rahmen kontrollierter Studien weiter evaluiert werden.